Wibke Bruhns in der Buchhandlung Gossens

Wibke Bruhns stellt in der Buchhandlung Gossens ihre Erinnerungen vor.

Büderich. 80 Prozent Frauen, 20 Prozent Männer — das eindeutige Geschlechterverhältnis bei der Lesung von Wibke Bruhns in der Buchhandlung Gossens mag daran liegen, dass viele Frauen in ihr immer noch eine Wegbereiterin in einer Berufssparte sehen, die zuvor eine Männerdomäne war: das Ablesen von Nachrichten im Fernsehen.

Eigentlich ist es Bruhns eher ein wenig lästig, wenn sie heute noch auf diesen „albernen Job, der zudem hundsmiserabel bezahlt war“, angesprochen wird. Aber er ist natürlich ein wichtiger Bestandteil ihrer Biografie, und daher spart die Journalistin diese Erinnerungen in ihrem Buch „Nachrichtenzeit“ auch nicht aus — und nimmt sich genau dieses Kapitel in Büderich zuerst vor.

Es war in diesen Tagen im Jahr 1971 ein Wettlauf zwischen ARD und ZDF, wer sich als erstes wagen würde, eine Frau die Nachrichten lesen zu lassen. „Eines Abends, nach dem dritten Bier unter ZDF-Kollegen, war dann klar: Ich sollte es machen.“ Bruhns wurde mit nicht immer ganz korrekten Vorschusslorbeeren überhäuft, „aber der Sender brauchte gegenüber der Öffentlichkeit eine Rechtfertigung, eine Art Sicherheitsgurt“, erinnert sie sich.

Die Resonanz war größtenteils verheerend: „Vor allem Frauen empörten sich, ich sollte mich lieber um meine Kinder kümmern“, so die Mutter von zwei Töchtern. Spaß hat ihr die Aufgabe auch nicht gemacht: „Ich war beruflich total isoliert, für Anspruchsvolles aus dem Spiel. Ich würde die Aufmerksamkeit von den Inhalten ablenken, lautete ein Vorwurf.“ Nach knapp einem Jahr warf sie das Handtuch.

Warum die Wahl von Hanns Joachim Friedrichs damals auf Bruhns fiel, lässt sich in Büderich aber durchaus erahnen: die Stimme wohlklingend, die Sätze exakt intoniert, keine Silbe wird verschluckt. Unverkennbar aber auch: Die heute 73-Jährige ist blitzgescheit, der Humor trocken, die Sätze in ihrem Buch sind geschliffen. Nachvollziehbar also, dass sich Bruhns zum damaligen Zeitpunkt schnell wieder der politischen Berichterstattung widmete — und auch offen für Willy Brandt Wahlkampf betrieb.

Mit dem Gerücht, sie sei 1973 bei Brandts Israel-Reise ein Verhältnis mit dem Bundeskanzler eingegangen, räumt Bruhns in ihrem Buch ebenfalls auf. Aber das ist eine andere Geschichte.