Ältestes Altbierrezept: Mit Fischblasen das trübe Bier geläutert
Forscher findet das älteste Altbierrezept am Niederrhein.
Neuss. Der Zufallsfund des Historikers Johannes Schmitz, der die Geschichte des Reuterhofs in Grimlinghausen erforscht, passte zur aktuellen Altbierausstellung im Clemens-Sels-Museum wie bestellt: In einem dicken „Anschreibebuch“ eines anderen Hofs in Grimlinghausen entdeckte der Forscher „ein recept von bier“, das er auf das Jahr 1740 datieren konnte. Carl Pause, Kurator der Altbierausstellung, weiß nach seiner Vorbereitungsarbeit für die große Bier-Schau: „Das ist das älteste bekannte Altbierrezept am Niederrhein.“
In dem Anschreibebuch haben die verwandten Familien Rangen und Wittgens von 1698 bis 1960 aufgeschrieben, was ihnen beim Betrieb der Gastwirtschaft und des Hoes, einer Station auf dem Weg von Neuss nach Köln, wichtig erschien. Postkutschengäste oder andere Besucher, die in der Gaststätte hatten anschreiben lassen, tauchen ebenso auf wie medizinische Rezepte oder der Hofknecht, der ein Gerät verloren hatte und dem nun vom Lohn abezogen wurde. „Das Buch erzählt viele kleine Alltagsgeschichten“, sagt denn auch Johannes Schmitz.
Irgendwo in dem nicht chronologisch geführten Buch taucht dann das Rezept für das obergärige dunkle Hopfenbier auf. Carl Pause verweist auf die Hinweise zur Qualitätssicherung: Man hätte nicht aufschreiben müssen, was ohnehin jeder wusste. Auf dem Hof in Grimlinghausen aber notierten sich die Brauer um 1740 Hygienehinweise, ohne sie so zu benennen, und sie schrieben eine Methode auf, das trübe Bier zu läutern, zu klären: Da Fischabfälle in Grimlinghausen reichlich vorhanben waren, nutzten sie das Collagen aus den Schwimmblasen der Fische. Noch heute werde Fisch-Collagen bei der Herstellung von Ale eingesetzt, sagt Pause.
In Grimlinghausen nutzten die Gäste auf ihrer Reise von oder nach Köln das Altbier — das erst sehr viel später zu seinem Namen kam — über Jahrhunderte. Lange war es Grundnahrungsmittel, als Alltagsbier mit einem Alkoholgehalt von zwei bis drei Prozent, kalorienreich, nahrhaft und vor allem: eindeutig sauberer als das Brunnenwasser.
Die Neusser galten lange Zeit als hervorragende Bierbrauer, so wurde sogar nach Köln exportiert. Die Hofbesitzer aus Grimlinghausen werden wohl keine Bierhändler gewesen sein. Das Anschreibebuch jedenfalls gibt darüber eine Auskunft. Der letzte Eintrag ist eine Geburtsanzeige aus dem Jahr 1960. In Familienbesitz ist es nach wie vor.