Alte Nazi-Parole sorgt für Aufregung
Der Schriftzug „Es lebe Adolf Hitler“ ist an einer Backsteinmauer aufgetaucht. Er steht wohl seit 70 Jahren dort. Der Staatsschutz ermittelt.
Neuss. Eine Propaganda-Parole aus den letzten Kriegstagen sorgt fast auf den Tag genau 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Neuss für Verwirrung. Der Nazi-Spruch „Es lebe Adolf Hitler“ prangt in weißen Druckbuchstaben auf einer roten Backsteinmauer am Weißenberger Weg in unmittelbarer Nachbarschaft zum Jobcenter.
Die Polizei formulierte eine Strafanzeige an den Staatsschutz in Düsseldorf. Dort laufen die Ermittlungen weiter. Denn die Verwendung von Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen ist in Deutschland strafbar. Dazu gehören auch Parolen wie „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“. Erste Bilder von dem Propaganda-Spruch waren am Wochenende im sozialen Netzwerk Facebook in der Gruppe „Neuss History“ aufgetaucht.
Für Stadtarchivar Jens Metzdorf spricht vieles dafür, dass es sich nicht um eine aktuelle Schmiererei handelt, sondern um ein Relikt aus der Zeit des Kriegsendes. „Die Parole, die alte Druckschrift und die Farbe, mit der der Spruch aufgetragen ist, sprechen deutlich für die letzten Kriegswochen. Dieser Spruch stand an zig Häusern und Wänden“, sagt Metzdorf. Nur ist er wohl an keiner Stelle mehr sieben Jahrzehnte nach Kriegsende in der Öffentlichkeit zu lesen — außer am Weißenberger Weg.
Offensichtlich ist, dass der Spruch an dieser Stelle für längere Zeit verdeckt gewesen sein muss. Dafür sprechen Reste von Farbe oder Kleber. Was auch immer die Parole versteckt haben mag — dieser Sichtschutz ist weg. Wie lange der Spruch an der Wand bereits zu lesen ist, ist unklar. Auch Leuten, die täglich an der Stelle vorbeigehen, war dies nicht aufgefallen.
Dabei handelt es sich um eine durchaus sensible Stelle. Denn in direkter Nachbarschaft ist vor nicht einmal zwei Jahren der Neubau des Jobcenters entstanden. Viele Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund sind Kunden des Jobcenters und könnten beim Verlassen des Gebäudes genau auf diese Nazi-Parole zulaufen.
Bei Facebook war eine Diskussion darüber in Gang geraten, ob man den Spruch nicht stehen lassen müsse, gewissermaßen als Mahnmal. Dazu wird es wohl nicht kommen. Wie Polizeisprecher Hans-Willi Arnold erklärte, habe die Polizei bereits mit Verantwortlichen des Eigentümers gesprochen. Dieser habe zugesagt, den Spruch entfernen zu lassen. Bei dem Gebäude handelt es sich um die Neusser Schraubenfabrik von Whitesell, früher Bauer & Schaurte Karcher.
Zur Nazi-Zeit in Deutschland war dies die wichtigste und größte Schrauben-Fabrik in Deutschland und in dieser Funktion von großer Bedeutung für die Kriegswirtschaft. Der damalige Inhaber der Firma, der Industrielle Werner T. Schaurte, war nach Angaben von Stadtarchivar Metzdorf ein bekennender Nationalsozialist. Schaurte war unter anderem NSDAP-Mitglied und SA-Standartenführer.