Anwohner: Stromschlag am Bahnhof war zu verhindern
Ein Neunjähriger hat beim Spielen am Güterbahnhof einen Stromschlag erlitten und schwebt in Lebensgefahr.
Neuss. Nach dem schweren Unfall am Güterbahnhof, bei dem am Sonntag ein neunjähriger Junge durch einen Stromschlag lebensgefährlich verletzt wurde, erhebt ein Anwohner schwere Vorwürfe: Über ein seit Jahren offenstehendes Tor des benachbarten Geländes hätten die beiden Jungen die Gleise des Güterbahnhofs leicht betreten können. Ob die Kinder den Unfallort über das Tor erreichten, konnte die Polizei gestern nicht in Erfahrung bringen, da der Neunjährige noch immer in akuter Lebensgefahr schwebte und sein siebenjähriger Freund noch unter Schock stand. Stadt und Polizei wollen sich heute weiter mit dem Fall befassen.
„Ich will nicht sagen, dass der Unfall nicht passiert wäre, wenn das Tor nicht offen gestanden hätte“, sagt der 46-jährige Anwohner, der anonym bleiben möchte. Seit mindestens sechs Jahren schon sei das Tor permanent geöffnet, Grasbewuchs zeige das. Der Mann habe die Stadt bereits vor Jahren darauf und auf die Gefahr, die das Gelände, auf dem eine Firma regelmäßig Bauschutt ablade, hingewiesen: „Das offene Tor ist eine Einladung an die Kinder des Quartiers.“ Sehr oft habe er schon beobachtet, wie Kinder und Jugendliche auf den Schuttbergen spielten. In wessen Verantwortungsbereich das brachliegende Gelände westlich des Unfallortes am Güterbahnhof fällt, will die Stadt heute prüfen.
Ein Zeuge hatte von der Brücke über den Güterbahnhof (verlängerte Fesserstraße) beobachtet, wie der Neunjährige nach dem Stromschlag brennend auf Gleis 103 von einem Zug fiel. Er war beim Spielen einer Oberleitung zu nahe gekommen und hatte dadurch einen Stromschlag und schwere Brandverletzungen erlitten. Gemeinsam mit seinem siebenjährigen Freund war er nach Angaben der Bundespolizei auf einen Kesselwaggon geklettert, der zum Transport von Flüssigkeiten oder Gasen verwendet wird. Von dem Behälter sei keine Explosions- oder Brandgefahr ausgegangen. Der Neunjährige wird in einer Spezialklinik behandelt.
„Wäre der Waggon mit entzündlichem Material beladen gewesen, hätte er noch eine weitere Gefahr dargestellt“, sagt Bundespolizeisprecherin Dajana Burmann. Der Lichtbogen, der sich zwischen der Starkstrom-Oberleitung und dem Neunjährigen gebildet hatte, habe diesem einen 15 000 Volt starken Stromschlag versetzt. Dafür reiche es schon aus, sich der Leitung auf weniger als anderthalb Meter zu nähern, erklärt Burmann. Zudem gehe nicht nur von der Stromleitung selbst, sondern auch von deren Tragarm und den Isolatoren die Gefahr eines Lichtbogens aus.
Anwohner
Die Kinder hatten sich verbotenerweise mit ihren Fahrrädern auf dem Betriebsgelände des Güterbahnhofs aufgehalten. Schilder, die vor dem Risiko eines Stromschlags warnen, gebe es laut Polizei nicht an jedem Leitungsmast, allerdings befände sich an jedem Waggon ein Hinweis, der vor dem Erklettern warnt. Die Bahnschienen zu betreten, sei in jedem Fall verboten. „Es fahren auch am Güterbahnhof Züge, deren Bremsweg immer leicht zu unterschätzen ist“, sagt Burmann. Zuletzt wurde in Neuss 2008 ein Mann am Bahnhof Norf getötet. Er war auf einen Güterzug geklettert und wurde dort von einem Lichtbogen getroffen.