Ausstellung im Rathaus: „Deportation ins Ghetto“ dokumentiert dunkles Kapitel deutscher Geschichte
Die Ausstellung „Deportation ins Ghetto“ dokumentiert ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte.
Neuss. Die Neusserin Helga Neuburg war eine lebenslustige junge Frau. Die Tochter eines Kaufmanns besuchte das Marienberg-Gymnasium, arbeitete im Anschluss in einem Modegeschäft. Bereits 1935 mussten die Neuburgs ihre Wohnung an der Nordkanalallee aufgeben. Am 13. Oktober 1941 wurde der Familie im Rathaus ihr bevorstehender Transport in den Osten mitgeteilt. Fünf Tage vor der Deportation ins Ghetto nach Lodz am 26. Oktober heiratete die damals 25-Jährige noch den Düsseldorfer Edgar Vogelsang. Sie starb im September 1942 mit ihren Eltern im Gaswagen.
Ein Foto der Neusserin als 23-Jährige ziert das Plakat der Ausstellung „Deportiert ins Ghetto“, die seit Dienstag bis zum 21. Februar im Foyer des Rathauses zu sehen ist. „Dieses Kapitel der Geschichte ist immer noch in der Aufbereitung, es gilt, Lücken zu schließen“, sagt Kulturdezernentin Christiane Zangs. Die Ausstellung mache es möglich, Schicksale, gerade auch aus Neuss, im historischen Kontext detailliert nachvollziehen zu können.
Die Wanderausstellung des des Arbeitskreises NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in NRW wurde auf Vermittlung des Stadtarchivs nach Neuss geholt. Leiter Jens Metzdorf ist während der Vorbereitung auf ein Dokument gestoßen, das nicht einmal er bislang kannte. Es ist ein Schreiben des Neusser Oberbürgermeisters an die Gestapo, in dem die „Evakuierung“ der letzten Juden aus Neuss festgehalten wird.
„Der Oktober 1941 ist deswegen so bedeutend, weil die zwei Transporte aus Köln und der eine aus Düsseldorf mit den Neussern die ersten systematischen Deportationen überhaupt waren“, erklärt Metzdorf. 3014 Juden waren betroffen, nur 36 kamen zurück. „Aus Neuss niemand“, sagt der Leiter des Stadtarchivs.
Die Ausstellung listet nicht nur Namen Verstorbener auf. Der Vorgeschichte der Ermordeten wird ebenso Raum gewährt wie dem alltäglichen Leben im Ghetto. Auch der Leidensweg von Helga Neuburg wird genau nachgezeichnet: Wie die Familienmitglieder mit einem Sonderwagen der Straßenbahn zum Hauptbahnhof nach Düsseldorf gebracht wurden, sie anschließend zu Fuß zum Schlachthof gehen mussten, um vom Güterbahnhof in Derendorf nach Lodz deportiert zu werden. Briefe aus dem Ghetto zeugen vom Überlebenswillen einzelner, aber auch von der vergeblichen Hoffnung vieler ab Januar 1942.