Bei der Machtverteilung im Rat wird es jetzt komplizierter
Reiner Breuer (SPD) ist neuer Bürgermeister von Neuss. Damit beginnt die Machtverteilung im Stadtrat von vorne.
Neuss. Den Tag eins nach der Bürgermeisterwahl begann der SPD-Fraktionsvorsitzende Arno Jansen mit einer Forderung: Er reklamierte für die SPD das Vorschlagsrecht, wenn nächstes Jahr ein neuer Sozialdezernent gewählt wird. Das kann man mit dem neuen Selbstbewusstsein nach dem Wahlsieg tun, doch sicher ist die Sache nicht. Denn die SPD hat im Stadtrat auch mit einem Bürgermeister Reiner Breuer nur rein theoretisch eine Mehrheit. Und auf die Grünen als langjährige Weggefährten darf sie kaum hoffen. Ohne die Stimme des Bürgermeisters hält aber auch die schwarz-grüne Koalition ihre Mehrheit nur durch die Mitarbeiter des BIG-Stadtverordneten Deniz Davarci. Die Machtverteilung im Rat wird also komplizierter.
CDU und Grüne scheinen derzeit nicht gewillt, ihre Zusammenarbeit für ein anderes Modell aufzukündigen. „Wir sind guten Mutes und Willens, die Koalition fortzusetzen, denn wir haben gezeigt, dass wir vieles auf den Weg gebracht haben“, sagte Grünen-Fraktionschef Michael Klinkicht gestern zur neuen Situation. Die CDU-Fraktion kommt dagegen erst heute außerplanmäßig zusammen. „Wir müssen mit dem Ergebnis irgendwie umgehen“, sagt die Fraktionsvorsitzende Helga Koenemann, die die Koalition nicht angeknackst sieht.
Die knappen Mehrheiten im Rat, so hofft offenbar Roland Sperling, könnten den kleineren Fraktionen in die Karten spielen. „Da kommt es mehr denn je auf uns an“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Linken, der sich im Vorjahr nicht in eine — am Ende nicht zustande gekommene — „Mehrheit jenseits der CDU“ einbinden lassen wollte. Und auch Manfred Bodewig (FDP) betont neue Freiräume. Man habe dem CDU-Kandidaten Thomas Nickel geholfen, „weil es mit ihm die größte Übereinstimmung“ gab und auch den Haushalt 2015 mit CDU und Grünen getragen. Doch nun will der Fraktionsvorsitzende etwas Abstand betonen: „Wir wollen konstruktiv mitarbeiten, egal wer der Bürgermeister ist“, sagte er.
Das Wort „konstruktive Zusammenarbeit“ führten gestern auch andere im Munde. „Das ist vielleicht das demokratischste Prinzip“, sagte Susanne Benary-Höck (Grüne). Schließlich seien die meisten Entscheidungen mit einer größeren Mehrheit als der der Koalition gefasst worden. Und auch aus der CDU dringen solche Signale: „Es macht schließlich keinen Sinn, den Bürgermeister immer nieder zu stimmen“, sagt Hermann-Josef Baaken.
In Koalitionen denke er nicht, sagt Wahlsieger Reiner Breuer. Er will rasch mit den Fraktionen sprechen und sehen, wie gemeinsam Ziele formuliert werden. „Alle Fraktionen stehen in der Verantwortung — und aus der werde ich sie nicht entlassen“, sagte er.