Besucher wandeln durch die Zeiten

Beim achten Stadtfest „Zeitsprünge“ gab es wieder viele Fundstücke, die Erinnerungen an die eigene Kindheit weckten.

Foto: Andreas Woitschützke

Neuss. Am Samstagmorgen geht Walter Lonnes (72) über den Marktplatz und entdeckt ein Foto von seinem Elternhaus. „Da bin ich groß geworden“, sagt er und zeigt auf das Schwarzweiß-Foto aus dem Jahr 1920. Darauf zu sehen sind Häuser auf der Rückseite des Obertors bei einem Hochwasser. Lonnes schlendert weiter entlang der alten Stadtansichten. Rund 400 Fotos hängen an mehreren Pavillons. Sie sind Teil des Stadtfestes „Zeitsprünge“, das Neuss Marketing zum achten Mal organisiert hat.

Rainer Ackermann über das Fest

Die historischen Fotos zeigen den Hafenausbau, mehrere Hochwasser in den 1920er Jahren, die Zerstörung von Neuss nach dem Zweiten Weltkrieg und den Wiederaufbau danach. Viele Menschen bleiben stehen, zeigen mit dem Finger auf die Fotos, versuchen zu ergründen, welche Stelle zu sehen ist. Zum Teil hat sich Neuss stark verändert, zum Teil sieht es noch heute aus wie vor 50 Jahren. Walter Lonnes bleibt vor einem Foto des zerstörten Neuss stehen. „An die Trümmer kann ich mich gut erinnern“, sagt der 72-Jährige, „da haben wir drin gespielt. Fangen. Verstecken. Später haben wir da auch die ersten Rauchversuche gemacht.“

Wenige Meter weiter steht Rainer Ackermann. Der 52-Jährige trägt eine feldgraue Uniform mit goldenen Knöpfen, wie sie preußische Soldaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts getragen haben. Ackermann erklärt Besuchern, wie das Leben um das Jahr 1910 in Neuss ausgesehen hat. „Wir wollen Menschen Geschichte näher bringen. Sie mit Details versorgen, die nicht im Geschichtsbuch stehen.“

Dazu gehört auch, das Leben unserer Vorfahren nachzuspielen. Und deshalb wird es dann laut. Die Lützower Jäger, die das Leben von Soldaten zu Zeiten der Befreiungskriege gegen Napoleon imitieren, setzen ihre Gewehre an und feuern in die Luft.

Am Markt sitzt unterdessen Citymanager Thomas Werz im Eiscafé und überbrückt eine der kurzen Regenpausen mit einem Espresso. Werz hat das Stadtfest für Neuss Marketing organisiert. In diesem Jahr entwickelte er ein neues Konzept. Denn die Hauptattraktion der Vorjahre gibt es nicht mehr: „Der Fetzer“, der die Stadt Neuss im Jahr 1796 mit einer spektakulären Kletteraktion bestohlen hat. Der Diebstahl wurde in den Vorjahren von Kletterern der Neusser Skihalle nachgestellt und war der Höhepunkt des Stadtfestes. Da an der Skihalle nicht mehr geklettert wird, entfällt auch dieser Programmpunkt.

Dafür gibt es nun eine Bühne mit Musik, mitten auf dem Markt. Die soll vom Xylofon-Duo, über eine Rock-’n-Roll-Show bis hin zu Jazz und Mini-Bigband für jeden was bieten. Und tatsächlich sind die Holzbänke vor der Bühne den ganzen Tag gut gefüllt. Auch die benachbarten Cafés profitieren vom Andrang. Werz beobachtet das Treiben zufrieden. „Das Konzept ist ganz gut gelungen. Alles ist hochfrequentiert und es sind mehr Menschen in der Stadt, als sonst an einem Samstag“, sagt Werz. Immerhin habe Neuss Marketing auch im ganzen Kreis Neuss Werbung für das Stadtfest gemacht. Die Hoffnung ist, dass Menschen die Geschichte ihrer Stadt entdecken. Aber auch, dass Gastronomen und Händler von den vielen Menschen in der Stadt profitieren.