BoA-Block wird auf Herz und Nieren geprüft
Der Check des Kraftwerksblocks „Friedrich“ in Neurath kostet RWE etwa 35 Millionen Euro.
Grevenbroich. Großes Blutbild, EKG, Ultraschall, Ergometer: Wäre der Kraftwerksblock „Friedrich“ ein Mensch, würde er auf diese Weise von kompetenten Ärzten auf Herz und Nieren untersucht. So aber sind es Ingenieure, Techniker und Handwerker, die den BoA-Block in den nächsten Wochen einem gründlichen Check-up unterziehen. RWE Power fährt die 1100-Megawatt-Anlage in Neurath nach vierjährigem Betrieb am Freitag um 22 Uhr ab und stellt sie einem Heer von Fachleuten erstmals für eine Hauptuntersuchung zur Verfügung. „Wir haben diesen Stillstand in den Sommer verlegt, weil die Stromnachfrage zu dieser Zeit geringer ist“, sagt Revisionsleiter Stephan Koltzk-Odendahl.
Im vergangenen Jahr war es „Gustav“, der „Zwillingsbruder“ des BoA-Blocks, der sich einer Hauptuntersuchung unterziehen musste. Mehr als 32 Millionen investierte der Energiekonzern im Sommer 2015 in dieses Projekt. Die Kosten für die jetzt anlaufende zweite Revision im Braunkohlenkraftwerk werden von RWE mit rund 35 Millionen Euro beziffert.
Größter Einzelposten ist ein sogenannter Mischverteiler. Auf 60 Metern Höhe wird ein zusätzliches Rohrsystem am Dampferzeuger eingebaut. Er sorgt dafür, dass sich die Dampf führenden Rohre gleichmäßiger erwärmen und dadurch verschleißfester werden. Block „Gustav“ war damit vor einem Jahr erfolgreich ausgestattet worden. Der 144 Meter hohe und 26 Meter breite Kessel ist einer der drei größten der Welt.
Außerdem wird die Turbine generalüberholt und verbessert. Dazu werden die beauftragten Partnerfirmen sowohl das Gehäuse als auch die Isolierung entfernen und außerdem die Kreislaufsysteme dieses zentralen Aggregats umbauen. Dafür alleine veranschlagt der Revisionsplan etwa 5,5 Millionen Euro.
„Mit dieser Investition sichern wir die Leistungsfähigkeit dieses modernsten Braunkohlenkraftwerks der Welt“, erläutert Power-Vorstand Ulrich Hartmann. „Block ,Friedrich’ wird im Interesse der Versorgungssicherheit noch lange zuverlässig und flexibel Strom erzeugen.“ Weil sich seine Leistung schnell hoch- und herunterregeln lässt, kann die Mannschaft seinen Betrieb optimal der von Natur aus schwankenden Stromeinspeisung der erneuerbaren Energien anpassen.
Zu Spitzenzeiten sind etwa 1000 Fachkräfte, unter ihnen 200 RWE-Mitarbeiter, damit beschäftigt, die Anlage auf Herz und Nieren zu überprüfen sowie Verschleißteile auszutauschen. Wichtige, im Betrieb unter Druck und Hitzeeinwirkung stehende Komponenten und Schweißdrähte werden auf Haarrisse und andere Schäden untersucht. Dabei nutzen die Techniker die aus der Medizin bekannten Verfahren Ultraschall, Röntgen, Magnetresonanz und Endoskopie. Verläuft alles nach Plan von Revisionsleiter Stephan Koltzk-Odenthal, kann der Patient „Friedrich“ nach 48 Tagen wieder ans Netz gehen und — je nach Strombedarf — bis zu 1050 Megawatt ins Netz.