Bruderschaften begrüßen Liberalisierung
Auch Nichtchristen sollen künftig Mitglieder werden können. Andreas Kaiser fordert einheitliches Schulungskonzept für Aufnahmeverfahren.
Neuss/Rhein-Kreis. Alle Mitglieder der Further Bruderschaft sind Schützen, aber nicht alle Schützen sind in der Bruderschaft. So halten es die Further schon seit vielen Jahren. „Vielleicht erweist sich unsere gelebte Praxis jetzt ja als Vorteil“, sagt Brudermeister und Präsident Jochen Hennen mit Blick auf den Öffnungsprozess, den der Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften als Dachorganisation von 1300 Bruderschaften und 400 000 Schützen eingeleitet hat. Ein Orientierungsrahmen ist das Ziel, der letztlich auch die Aufnahme von Nichtchristen in den katholischen Verband ermöglicht. Wenn das Schützen-Parlament darüber im Frühjahr abstimmt, gilt eine breite Mehrheit als sicher.
Andreas Kaiser (45) aus Norf, der seit 2008 an der Spitze der 18 Bruderschaften mit fast 10 000 Mitgliedern im Bezirksverband Neuss steht, hat bereits für Anfang Januar die Bruder- und Jungschützenmeister mit den Präsides eingeladen, um eine gemeinsame Stellungnahme zu erarbeiten. „Im Grundsatz sehen wir den Prozess sehr positiv“, sagt Kaiser, „aber die Verantwortung darf nicht auf die unterste Ebene, die Bruderschaften, wegdelegiert werden“.
Was Kaiser meint: Die Bruderschaften vor Ort sollen künftig frei entscheiden können, wer aufgenommen wird und wer damit auch Schützenkönig werden kann. Das gilt auch für Nichtchristen, wenn sie sich „glaubhaft zu den Zielen der Bruderschaften“ bekennen.
In dieser Einzelfall-Entscheidung sieht nicht nur Kaiser einen „Knackpunkt“. So fragt sich der Further Schützenchef Hennen, wie er bei einem Antrag auf Neuaufnahme prüfen soll, ob der Bewerber zu den Idealen des Bundes steht. Dem Brudermeister der größten Bruderschaft im Bezirk springt Kaiser bei. Abgesehen von einer inhaltlichen Bewertung stelle die Einzelfall-Entscheidung bei „50 bis 70 Neuaufnahmen“ im Jahr allein einen „zu großen bürokratischen Aufwand“.
Yasar Calik, Grenadier
So fordert Kaiser einen Leitfaden und ein einheitliches Schulungskonzept, damit die Einheit bei sich abzeichnender Vielfalt auch gewahrt bleibe. Hennen stimmt zu: „Wir wollen unser christliches Profil nicht verlieren.“
Der Neusser Schützenpräsident Thomas Nickel führt einen weltlichen Verein, zu dessen zehn Korps mit den Scheiben- und Hubertusschützen aber auch zwei Bruderschaften gehören. Im Verein könne jeder dabei sein, der die demokratischen Regeln und die gesellschaftlichen Gepflogenheiten beachte. Für die Vorstände der Bruderschaft sei es gut, dass sie nun eine „klare Linie“ erhalten, die festlege, was in der Praxis schon längst gelebt werde.
Für Yasar Calik, der als Grenadier beim Neusser Schützenfest mitmacht, senden die Bruderschaften das richtige Signal: „Menschlichkeit ist die Messlatte, nicht die Trinkfestigkeit.“ Er fühle sich als Muslim bei den Schützen „pudelwohl“. Er könne sich aber nur integrieren, wenn er auch mitmachen dürfe.
„Eine moderate Öffnung der Bruderschaften für alle, die hinter ihren Zielen stehen, ist sehr sinnvoll“, sagt Wolfgang Kuck, Bundesmeister des Bezirks Nettesheim, zu dem elf Dormagener und Rommerskirchener Bruderschaften gehören. Allerdings sei diese geplante Regelung kein Freifahrtschein für Trittbrettfahrer, die Bruderschaften umkrempeln wollten, so Kuck: „Wir stehen weiterhin zu unserer Tradition und dem Leitsatz Glaube, Sitte, Heimat. Den müssen auch Nichtchristen mittragen.“
Robert Hoppe, Bezirksbundesmeister des Bezirksverbandes Grevenbroich mit acht Bruderschaften, begrüßt den Orientierungsrahmen. „Er ist ein Stück weit Lebenswirklichkeit. Ich glaube, dem sollten wir uns stellen, ohne unsere Glaubensgrundsätze aufzugeben“, erklärt Hoppe. Der Rahmen sei für viele Bruderschaften eine „wichtige Hilfestellung“.