Computer-Virus: „Lukas“ muss Eingriffe verschieben
Ein Virus hat die Computer befallen. Das hat große Auswirkungen, denn das Krankenhaus arbeitet seit zehn Jahren digital.
Neuss. Dr. Nicolas Krämer hat wie viele andere Mitarbeiter der Städtischen Kliniken Neuss eine schlaflose und kurze Nacht hinter sich. Seit 6.30 Uhr ist der kaufmännische Geschäftsführer des Lukaskrankenhauses schon wieder im Einsatz, um sich mit dem kurzfristig einberufenen Krisenstab zu treffen und sowohl Mitarbeiter als auch Patienten über das Ausmaß des Virus-Befalls per Flugblatt zu informieren. „Am Mittwochmorgen haben wir eine Schadsoftware bemerkt und unser IT-System daraufhin präventiv heruntergefahren, um zu verhindern, dass das Virus hochsensible Patientendaten befällt, ändert oder gar löscht“, sagt der Geschäftsführer.
Prof. Tobias Heintges, ärztlicher Geschäftsführer des Krankenhauses
Ausgelöst wurde die Attacke auf das Computer-System des Krankenhauses durch einen E-Mail-Anhang, der nach bisherigem Kenntnisstand von einem Mitarbeiter der Finanzabteilung geöffnet wurde. Noch am vergangenen Freitag hatte der Leiter der IT-Abteilung im Lukaskrankenhaus, Udo Purwin, nach einer Meldung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik vor dem Öffnen solcher Anhänge gewarnt.
Die Computer-Probleme haben erheblichen Ausmaß auf den Betrieb im Lukaskrankenhaus, das seit mehr als zehn Jahren auf Papier verzichtet, komplett „online“ arbeitet und Ärzte sich etwa Patientenbefunde im Normalfall auf dem Tablet-PC anschauen. „Durch das Virus sind wir auf den Stand von 2006 zurückgeworfen worden und können nicht auf gewohntem Niveau arbeiten. Hunderte Rechner sind vom Virus befallen“, sagt der ärztliche Geschäftsführer Professor Tobias Heintges.
Herzinfarkt-Patienten etwa würden deswegen aktuell an andere Krankenhäuser verwiesen, da gerade dieser Bereich besonders auf die digitale Technologie angewiesen sei. Auch geplante Eingriffe würden auf die kommende Woche verschoben, heißt es aus der Geschäftsführung.
„Durch das Virus sind die Systeme sehr langsam geworden, zum Teil sind einzelne Funktionen nicht mehr verfügbar“, sagt Krämer. Die allgemeine Patientenversorgung bliebe hingegen gewährleistet, auch die Telefone des Krankenhauses würden funktionieren. „Wir arbeiten derzeit im Notfallbetrieb“, sagt Heintges.
Um das PC-Problem in den Griff zu bekommen, hat die siebenköpfige IT-Abteilung des „Lukas“ sich Verstärkung aus dem In- und Ausland besorgt. Zwei Fachkräfte der Firma „Controlware“ aus der Nähe von Frankfurt am Main sind nach Neuss gekommen, um den Code des Virus zu entschlüsseln. Zudem arbeitet die Londoner Sicherheitssoftware-Firma „Sophos“ ebenfalls rund um die Uhr, um an die Signatur der Schadsoftware zu gelangen. „Bis wir das Virus entschlüsselt und ein Antidot entwickelt haben, bleiben unsere Systeme voneinander isoliert“, sagt Krämer.
Der finanzielle Schaden, der durch das Virus entsteht, ließe sich noch nicht beziffern, sagt Dr. Nicolas Krämer. „Aber fest steht: Jeder Tag, an dem die OP still steht, sorgt dafür, dass Erlöse verloren gehen.“ Eine Düsseldorfer Anwaltskanzlei mit Fokus auf Datenschutzsicherheit sei bereits eingeschaltet.