Die Suche nach der richtigen Droge

In dem Stück „Welche Droge passt zu mir?“ geht es um die Erwartungen, mit denen die Gesellschaft eine Hausfrau überfrachtet. Katharina Dalichau überzeugte bei der Premiere im Café Diva des Neusser RLT.

Foto: Björn Hickmann

Neuss. So unvermittelt, wie es begann, geht es auch zu Ende. Nach knapp über einer Stunde verlässt die Schauspielerin Katharina Dalichau das Theatercafé Diva. Ihr Text ist gesprochen, sie hat gelacht, geweint, gezürnt. Mit ihr die Zuschauer, die zurückbleiben und das Gesehene in aller Stille sacken lassen können. Dann kommt Dalichau zurück und erntet stürmischen Beifall.

Eine Stunde lang hat sie die rund 40 Gäste im Café des Rheinischen Landestheaters (RLT) in Neuss mitgenommen auf eine wilde Reise durch die Drogenerfahrungen und den tristen Alltag der Hausfrau Hanna. Im cremig-blauen Hosenanzug sitzt Dalichau als Mittelstands-Mama an einem der Tische, steht auf und beginnt ihren Monolog: „Welche Droge passt zu mir?“

Hanna, Protagonisten in dem Stück

Harmlos fängt alles an. Wer seinen Weg gehe, werde sein Ziel erreichen, sagt Hanna. Die Hausfrau untermauert ihre Weltsicht immer wieder mit Zitaten des römischen Philosophen Seneca: „Nicht, weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern es ist schwer, weil wir es nicht wagen.“

Und sie spricht die Zuschauer direkt an: „Haben Sie sich ihre Träume erfüllt?“ Sie selbst habe das jedenfalls versäumt. Sie lebt in Eintönigkeit als einsame Hausfrau, tut sich schwer, ihrem Mann und dem in der Schule gemobbten Sohn genug Liebe und Zärtlichkeit entgegenzubringen.

Eines Tages bietet sich ihr die Möglichkeit, Ecstasy auszuprobieren — was sie sich in ihrer Jugend nicht getraut hat. Anders als so oft in ihrem Leben will sie dieses Mal eine Gelegenheit nicht verpassen. Und sie berauscht sich an der Wirkung, kann fürsorglich den Sohn trösten, den Mann liebevoll empfangen. Noch mal und noch mal nimmt sie die bunten Tabletten, bis die Wirkung nachlässt. Die Lösung: Kokain. So rutscht Hanna ab in den Rausch, wird zur Abhängigen. Mit allen Konsequenzen: die Hochs, die Tiefs, das nächtliche Möbelverrücken.

Mitreißend zeigt Dalichau die völlig unterschiedlichen Stimmungen des Stücks von Kai Hensel, das Reinar Ortmann inszeniert hat. In einem Moment beschwört sie die Zuschauer, im anderen erklärt sie ganz sachlich den biologischen Prozess, den Drogen im Gehirn auslösen, oder schwärmt von Rausch-Erfahrungen, klagt über das entsetzliche Gefühl danach, verzweifelt an der Veränderung ihres Wesens.

Einmal rinnt ihr eine Träne über das Gesicht. Ist diese Frau mit Drogen glücklich? Nein. Aber sie fühlt sich wieder, hat mehr glückliche, aber auch mehr unglückliche Stunden. War sie ohne Drogen glücklicher? Auch nicht.

Und darin liegt der springende Punkt. In Wahrheit nämlich geht es gar nicht um die Drogen, sondern um die Erwartungen, mit denen die Gesellschaft eine Hausfrau überfrachtet. Um die Einsamkeit und die Sorgen, mit denen sie alleine gelassen wird. So deutet Hanna den Drogenkonsum als Naschen von der verbotenen Frucht. Als Weg aus der Alltags-Hölle ins Paradies. Und vielleicht liegt sie gar nicht so falsch, wenn sie feststellt: „Die schlimmste Droge ist Alkohol.“