Dormagen: Sorge vor finanziellem Aderlass

Im Raphaelshaus sollen trotz knapper Kassen auch künftig weitere ehrgeizige Projekte in Angriff genommen werden.

Dormagen. 125 Biographien von verhaltensauffälligen Kindern hat Erwin Hackstein im laufenden Jahr auf seinem Schreibtisch liegen gehabt. Längst nicht alle Anfragen kann der stellvertretende Leiter des Raphaelshauses bei den 137 Wohngruppen-Plätzen positiv beantworten.

"Unsere Kapazitäten sind begrenzt, die Warteliste ist lang", so der Prokurist der Einrichtung, der darüber hinaus rund 250 Anfragen bereits am Telefon abblocken muss. "Jugendämter wissen das und fragen daher mindestens drei Monate vorher nach", sagt Hackstein.

Die Qualitätsansprüche des Raphaelshauses sind bekannt, das Jugendhilfezentrum ist bundesweit anerkannt. Dass Leiter Hans Scholten jetzt neuer Vorsitzender des Bundesverbandes katholischer Dienste und Einrichtungen der Erziehungshilfe ist, wird den guten Ruf des Hause wohl festigen, verpflichte ihn aber dazu, die Ansprüche weiter nach oben zu schrauben.

So will das Raphaelshaus in Zukunft noch mehr Familien für die Idee gewinnen, Kinder der Einrichtung zeitweise aufzunehmen. Wenigstens ein Familienmitglied muss dafür über eine entsprechende fachliche Ausbildung verfügen. Mit Freude blickt Scholten auf den Umbau des Hauses an der Römerstraße, wo in der Helen-Keller-Gruppe sieben Mädchen ein neues Zuhause finden.

Fest integriert in Tagesablauf und Schulleben auf dem Gelände des Jugendhilfezentrums ist inzwischen auch die Kinderzirkus-Pädagogik. "Seit drei Jahren experimentieren wir darüber hinaus erfolgreich mit klassischen Konzerten. Man sollte nicht glauben, dass unser Kinder dafür ihren iPod beiseite legen, aber sie tun es", berichtet Scholten.

Doch natürlich herrscht für den Leiter nicht nur eitel Sonnenschein. Mit Sorge betrachtet er die Entwicklung bei den kommunalen Finanzen. "Ganz klar, die Angst vor Einschnitten im sozialen Bereich ist vorhanden."

Auch das Ende der Kooperation mit Currenta beim Werkstattjahr ab 2010 stimmt ihn traurig. "Wenn ein Jugendlicher ohne Hauptschulabschluss, der bisher nie Anerkennung erfahren hat, das erste Mal den Currenta-Blaumann trägt, das ist für ihn wie ein Adelsschlag", so Scholten.

Dennoch denkt der Vater von drei erwachsenen Töchtern darüber nach, im kommenden Jahr zwei weitere neue Gruppen ins Leben zu rufen, auch wenn dafür neu gebaut werden muss. "Allerdings nur, wenn ich dafür auch wirklich das Geld zusammenbekomme", schränkt er ein.

Mithelfen wird dabei ein Neuling im Team: Sozialpädagoge Marco Gillrath ist 35 Jahre und kommt aus Hackenbroich.