Festakt für Rita Süssmuth Rita Süßmuth: Neue Ehrenbürgerin mit einem Appell und einer Bitte
Neuss · Rita Süssmuth wünscht sich als erste Ehrenbürgerin der Stadt, dass alle zwei Jahre ein Preis für junge Neusser ausgelobt wird, mit dem gute Ideen gesucht und auszeichnet werden. Dieses Projekt will sie persönlich begleiten.
Während die Innenstadt zur geschäftigen Samstagsroutine erwacht und sich am Markt die Cafés mit ersten Gästen füllen, wird ein paar Meter davon entfernt Stadt-Geschichte gemacht. 150 geladene Gäste erheben sich im Stefanie Thywissen-Dorsemagen-Saal des Rathauses und applaudieren Bundestagspräsidentin a.D. Professorin Rita Süßmuth, der ersten Ehrenbürgerin in der Geschichte von Neuss. Die stellt im Beisein poitischer Freunde wie Ministerpräsident a.D. Armin Laschet, Bundesbildungsministerin a.D. Annette Schavan oder auch Hermann Gröhe MdB knapp zwei Sachen fest: „Verdient habe ich diese Ehrung nicht – aber jetzt will ich was draus machen.“ Davor, fügt die Frauenanwältin, wie sie sich selbst sieht, fast schelmisch hinzu, müsse aber niemand Angst haben.
Die 85-Jährige spricht eine halbe Stunde ohne Manuskript über das, was sie im Herzen bewegt. Über die Dialogbereitschaft als Voraussetzung, um etwas zu erreichen: „Ich halte nichts von Sätzen wie: Mit dem werden wir nie wieder reden.“ Sie spricht vom gelebten Zusammenhalt in „diesen verworrenen Zeiten, in denen man in Depression versinken könnte“ und von Tugenden. Dazu zählt Süssmuth die Fähigkeit, nach Niederlagen die Kraft zum Aufstehen und Weitermachen zu finden, die sie als eigenen Wesenszug beschreibt. Eine Tugend ist für sie aber auch, Haltung zu zeigen und durchzuhalten – gerade in einer Zeit, in der hinter das Modell der parlamentarischen Demokratie Fragezeichen gemacht würden. Haltung verbinde sie mit dem Namen Armin Laschets, sagt Süssmuth, dem sie „höchste Anerkennung“ dafür zolle.
Als Ehrenbürgerin formuliert Süssmuth an kommunale Adressaten einen Appell und eine Bitte. Sie würde sich wünschen, beginnt sie mit der Bitte, dass die Stadt alle zwei Jahre einen Preis füf junge Menschen in Neuss ausschreibt, der generationenübergreifende Ideen für die Stadt sucht und auszeichnet. Dieses Vorhaben werde sie gerne persönlich begleiten. „Ich habe nichts zu tun mit dem Schützenkrieg gegen die Frauen“, stellt Süssmuth fest, als sie danach an die Schützen appelliert: „Findet gescheite Lösungen.“ Die Männer müssten keine Angst haben, dass ihre Sitten verloren gingen, betont sie.
Süßmuth hat sich nicht
nur für Frauen eingesetzt
Bürgermeister Reiner Breuer versichert, die Bitte als Auftrag zu verstehen und mit Süssmuth gemeinsam die Jugend zu einer Diskussion über die Frage einzuladen: „Was braucht die Zukunft der Stadt?“ Dem Appell schließt er sich an, da er die Debatte um die Rolle der Frau im Schützenwesen selbst „wie aus der Zeit gefallen“ empfindet. Annemarie Renger (SPD), als Bundestagspräsidentin eine Amtsvorgängerin Süssmuths, habe sich ihren Platz im Schützenwesen einfach genommen, erinnerte Breuer, als die Abgeordnete für Neuss zur Schützenparade einfach einen Stuhl für sich auf den Markt stellte und Platz nahm. „Wenn Sie das wollen“, sagt Breuer zu Süssmuth, „werde ich Sie gerne begleiten.“
Süssmuth spricht frei, Breuer und Hermann Gröhe, der die Laudatio auf die erste Ehrenbürgerin hält, haben sich dagegen mit einem Manuskript vorbereitet – um nichts zu vergessen, was sie aus dem übervollen Leben Süssmuths hervorheben wollen. Süssmuths Schaffen auf das Thema Frauen zu reduzieren, würde ihrem umfänglichen Wirken in und für die Republik nicht gerecht werden, sagt Breuer, der trotzdem den Punkt Frauen besonders betont. Denn Süssmuths Vorbild und auch ihre Ehrenbürgerwürde könnten für Frauen ein Mut machendes Zeichen sein, dass es sich lohnt, Stadt und Staat mitzugestalten.
Mutmacherin, Brückenbauerin aber auch Kämpferin sind Begriffe, die Hermann Gröhe in seiner – durch freundschaftliche Nähe und große Vertrautheit geprägten – Laudatio als Süssmuths „Markenkern“ herausstellt. Sie sei jemand, der von der Kraft der Argumente überzeugt ist, sagt Gröhe und merkt an: „Wer sie für unbequem hält, der macht ihr ein Kompliment.“
Süssmuth, die ihre Ehrung erst nicht verdient zu haben meint, fühlt sich am Ende doch geehrt, wie sie zugibt. Gerade in Neuss werde sie aber als die auftreten, „als die ich immer aufgetreten bin“, sagt sie. Rita Süssmuth verspricht: „Ich werde Neuss nie verlassen – es sei denn, ich werde rausgetragen.“