Ein Kochbuch wird zum Politikum

Das Geschenk der Stadt an alle Paare, die sich im Standesamt trauen lassen, steht in der Kritik. Es vermittle ein veraltetes Frauenbild, sagt Gleichstellungsbeauftragte Hedwig Claes.

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Neuss. Es ist ein Buch, das Menschen zum Kochen bringen soll: Wer das kirschrote Cover mit fantasievollen Verzierungen und einem geschwungenen, goldenen Herz aufschlägt, soll sich von Rezepten aus verschiedenen Ländern und Regionen inspirieren lassen.

Doch nun kocht eine Diskussion über jenes „Goldene Kochbuch“ auf, das angehende Ehepaare erhalten, wenn sie beim Neusser Standesamt ihr Aufgebot bestellen. So gibt es unter anderem Kritik von der Gleichstellungsbeauftragten des Rates, aber auch aus der Politik und eine Empfehlung des Lesben- und Schwulenverbandes.

Hedwig Claes, Gleichstellungs- beauftragte des Neusser Stadtrates

„So ein Geschenk war vor 15 Jahren schon nicht mehr zeitgemäß, da es auf das Bild von der traditionellen Hausfrau abzielt. Man kann das mit Humor sehen, es bleibt aber sehr fragwürdig“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Neusser Stadtrates, Hedwig Claes (Grüne). Sie kündigt an, bei der Stadt nachzufragen, seit wann Paaren dieses Kochbuch ausgehändigt wird — und aus welchen Beweggründen. „Vielleicht kann man sich dann auch mal Gedanken über ein anderes Geschenk machen“, sagt Hedwig Claes.

Die SPD-Stadtverordnete Constanze Kriete hat ein ganz anderes Problem mit dem „Goldenen Kochbuch“ — und zwar mit dem Vorwort. Ihre Kritik: Die der Anrede im Buch lautet „Verehrte Brautpaare, Lebenspartnerinnen und Lebenspartner“. Diese Formulierung sei laut Constanze Kriete „überholt“, weil dort zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterschieden werde. Dabei können homosexuelle Paare seit dem 1. Oktober vergangenen Jahres ebenfalls Eheleute sein. „Es gibt so viele Menschen, die für die Gleichstellung der Ehe gekämpft haben. Dass die Gleichstellung in dem Kochbuch nicht berücksichtigt wird, hat mich sehr überrascht“, sagt Constanze Kriete.

Eine Änderung regt auch der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) an. „Wir freuen uns, dass die Stadt Neuss in ihrem Kochbuch auch gleichgeschlechtliche Paare angesprochen hat. Die gesonderte Nennung von Lebenspartner beziehungsweise Lebenspartnerinnen ist erfreulicherweise durch die Öffnung der Ehe nicht weiter notwendig. Wir empfehlen der Stadt, zukünftig nur ,Verehrte Ehepaare...’ zu schreiben“, sagt René Mertens vom LSVD-Bundesverband.

Wie Tobias Spange vom Presseamt der Stadt Neuss mitteilte, wird das Buch bereits seit den 70er-Jahren an künftige Brautpaare verteilt — stets in neuen Auflagen. Das werde auch in Zukunft so sein. Im Rathaus — und das schließt die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt, Katja Gisbertz, mit ein — könne man die Kritik an dem Geschenk nicht nachvollziehen. Liebe gehe schließlich durch den Magen. Wohlgleich werde man in der neuen Auflage die kritisierte Anrede im Vorwort anpassen.

Waltraud Beyen hat gleich zweimal in Neuss geheiratet. Bei ihrem ersten Ja-Wort — vor rund 50 Jahren — habe sie sogar noch ein Buch „mit Ratschlägen für die Hausfrau“ überreicht bekommen. „Ich habe mich aber darüber gefreut. So eine kleine Geste ist schön“, sagt die CDU-Frau. Ähnlich sieht es Patricia Aden, die Vorsitzende des Frauenrates NRW: „In heutigen Zeiten ist Ernährung sehr wichtig. Ich leite aus dem Geschenk nicht ab, dass es sich nur an die Frau richtet.“