Einblick in die Geschichte des MGV

Im Kaarster Stadtarchiv findet sich der Fahnen- und Notenschrank des MGV Germania, der sich 1988 aufgelöst hat.

Foto: A. Tinter

Kaarst. Auf etwa zwei Dutzend Nachlässe, die im Untergeschoss des Rathauses ruhen, kommt Archivar Sven Woelke — bei großzügiger Zählung. „Hauptsächlich handelt es sich dabei um Einzelstücke, die uns von Bürgern überlassen wurden“, erklärt er. Zeugnisse des regen Vereinslebens in der Stadt finden sich eher selten. Der 38-Jährige bedauert das, spiegelt sich doch im Schicksal von Vereinen auch die lokale Geschichte wider. Wie beim Männergesangverein Germania Kaarst, der sich 1988 nur kurze Zeit nach dem 100-jährigen Bestehen auflöste. Und seinen Fahnen- und Notenschrank dem Archiv vermachte.

„Das ist der einzige halbwegs vollständige Nachlass, den wir hier aufbewahren“, sagt Woelke, der sich zusammen mit den Archiv-Mitarbeitern zuletzt zweieinhalb Wochen Zeit genommen hat, um den Archivbestand etwas umzustrukturieren, Archivgut umzulagern und fachgerecht zu verpacken.

Sven Woelke, Archivar, über die typschen Mitglieder von Vereinen in vergangenen Zeiten

Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Vitrinenschrank des MGV genauer unter die Lupe genommen. Der hatte vor bald drei Jahrzehnten zunächst einen Platz vor dem Fraktionszimmer des ehemaligen Kaarster Rathauses gefunden, zog dann bei der Eröffnung des neuen Rathauses in die Räume des Stadtarchivs mit um und steht seither am selben Fleck. „Das ist jedoch kein Ausstellungsraum“, erläutert Sven Woelke, „für den Holzschrank — eine Maßanfertigung aus den ersten Nachkriegsjahren — ist das Klima ungünstig.“ Darum hat der Fachmann die Notenblätter in säurefreien Mappen eingeschlagen, die durch den Lichteinfall stellenweise ausgeblichene Fahne aus dem Jahr 1901 wurde eingehüllt, der Schrank selbst soll einen neuen Standort im Magazin finden.

Dass Möbel und Inhalt Ende der 1980er Jahre überhaupt den Weg ins Archiv fanden, ist dem damaligen Bürgermeister Heinz Klever zu verdanken. Die Übergabe erfolgte wenige Wochen bevor der Chor sich auflöste. Zu dem Zeitpunkt hatte der Verein das Singen schon seit etwa 20 Jahren eingestellt und sich eher auf die Geselligkeit konzentriert.

Dabei war der MGV Germania einst eine feste Größe im kulturellen Leben der Gemeinde. In den Mitgliederverzeichnissen finden sich bekannte Kaarster Familiennamen, die auch in anderen Zusammenhängen auftauchen. „Oft war das der gleiche Personenkreis, der sich auch politisch engagierte, etwa im Gemeinderat“, erläutert Sven Woelke. Netzwerken anno 1900 also. „Da wurde Politik oft an der Theke gemacht“, ergänzt Dieter Güsgen, Kulturbereichsleiter der Stadt Kaarst.

Neben Notenmappen, Fahne, Anstecknadeln und Stempeln gehören auch Gaben befreundeter Vereine zum Nachlass sowie Jubiläums-Festschriften und wenige Originalfotos. Schriftliche Unterlagen? Größtenteils Fehlanzeige. „Uns liegt nur ein Sitzungsprotokoll vor, das der allerletzten Sitzung am 9. März 1987, bei der die Auflösung beschlossen wurde“, erzählt Woelke. Dabei seien gerade die „auf den ersten Blick eher langweiligen Unterlagen“ wie Kassenbücher, Sitzungsprotokolle oder Mitgliederverzeichnisse interessant für Archivare, weil sie erst ermöglichten, eine „schöne Vereinsgeschichte“ zu verfassen.