Flüchtlingshilfe: "Der Verein sollte überflüssig sein"

Ein Verein um den Neusser Filmemacher Marcel Kolvenbach hilft Flüchtlingen.

Foto: Marc Ingel

Neuss. Als Marcel Kolvenbach 2009 nach Afrika ging, hatte er eigentlich nur das Ziel, einen Film zu drehen. Als er drei Jahre später zurückkam, hatte er seine Filmaufnahmen — aber er wollte noch mehr tun, er wollte helfen. Also gründete er vor einem Jahr gemeinsam mit Freunden den Verein United Help for Refugees (UHFR).

Foto: privat

„Als Journalist kann man natürlich nicht alles verändern, man kann nur ein Bewusstsein für Dinge schaffen“, sagt der 44-Jährige. „Aber als ich diese Zustände gesehen habe, konnte ich nicht anders. Ich habe nie zuvor Menschen gesehen, die so entwürdigt leben und allem schutzlos ausgeliefert sind.“ Während seines Afrika-Aufenthalts hat der Neusser über die Situation der Flüchtlinge recherchiert. Er ist durch zwölf Länder gereist, von Westafrika bis Kenia, hat Menschen besucht, die in Flüchtlingslagern leben, und lange Gespräche mit ihnen geführt. Ziel des Films war es, über sexuelle Gewalt und sexuelle Ausbeutung durch Helfer in den Lagern zu berichten.

„Erschüttert hat uns die Tatsache, dass wir so oft auf sogenannte UN-Kids gestoßen sind“, so Kolvenbach über seine Erlebnisse, die er und sein Kollege Pagonis Pagonakis in der WDR-Produktion „Gefährliche Helfer“ schildern. Als UN-Kids werden die hellhäutigen Kinder bezeichnet, deren Väter als UN-Blauhelmsoldaten oder zivile UN-Mitarbeiter im Kongo stationiert waren. „Die Frauen wurden entweder vergewaltigt oder unter Androhung, ihren Job als Hausangestellte zu verlieren, in ein sexuelles Verhältnis gezwungen. Später wurden sie im Land zurückgelassen, mitten im Bürgerkrieg, mit ihrem hellhäutigen Kind, oft verstoßen von der Familie.“

Eine prägende Begegnung war für Kolvenbach die mit Qaabata Boru, einem jungen Journalisten und Flüchtling aus Äthiopien, der mit Kollegen aus dem Kongo, Sudan und Somalia in der Online-Zeitung „Kanere“ über die Zustände in den Lagern berichtet. „UN und Lagerleitung wollen das natürlich nicht und üben dementsprechend Druck aus“, sagt Kolvenbach.

Ihn wollte der Filmemacher unterstützen — zumindest mit einem Internetzugang — und außerdem Pastor Ezekias, ebenfalls ein Flüchtling in Uganda. „Das ist ein hochgebildeter Mann, der mindestens fünf Sprachen spricht und sich für die Menschenrechte im Kongo einsetzt.“ Ezekias hat „Rehore“ gegründet, eine Anlaufstelle und Selbsthilfegruppe für Opfer von sexueller Gewalt.

„Uns geht es vor allem darum, dass die Menschen sich selbst helfen können“, sagt Kolvenbach. „Wir wollen Alternativen zur Entwicklungshilfe finden und neue Wege ausprobieren.“ Über Pastor Ezekias hat er Opfer kennengelernt und mit seinem Verein die Idee entwickelt, in Kampala, der Hauptstadt Ugandas, eine Nähschule zu eröffnen. „So können die Frauen als Näherinnen ausgebildet werden und die angefertigte Kleidung für den Unterhalt ihrer Familien verkaufen. Mit dieser Arbeit können sie vielleicht dem Teufelskreis entkommen, sich prostituieren zu müssen, um überleben zu können.“

50 Frauen warten bereits auf die Ausbildung, rund 1000 Euro hat der Verein inzwischen für die Anschaffung weiterer Nähmaschinen gesammelt, die vor Ort gekauft werden. „Die Menschen sollen unabhängig vom Verein sein“, sagt Kolvenbach. „Deswegen unterstützen wir nur, wen wir persönlich kennen, mit konkreten Projekten vor Ort. Mein Traum ist es — auch wenn er wohl unrealistisch ist — dass der Verein irgendwann überflüssig ist.“