Neujahrskonzert der Kammerakademie: Rhapsodien rasant gespielt
Toll gespielt, viele Facetten: Die Kammerakademie glänzte in der Stadthalle.
Neuss. Feiner Humor und musikalische Raffinesse bestimmen das 14. Neujahrskonzert der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein. „Rhapsodien“ lautet diesmal das verbindende Thema in der ausverkauften Stadthalle.
Mit gewohnter Leichtigkeit schlägt Bürgermeister Herbert Napp schon in seiner Begrüßung den Bogen von der CIA-Überwachung in Neuss über einen nicht vorhandenen Ehrengast Helmut Schmidt bis hin zur Stadtratswahl und zur „GroKo“.
Der „Vesuv von Neuss“ sei erloschen, verkündet er, murmelt aber noch schnell ein „zumindest zeitweise“ hinterher. Er freue sich auf ein deutsches Fußballwunder in Brasilien, sagt Napp und spielt den Ball an das Orchester weiter.
Bissig und angriffslustig legen die Musiker mit Bernsteins Ouvertüre zu „Candide“ los. Chefdirigent Lavard Skou-Larsen entlockt seinem Ensemble einen schönen festen Klang, den er immer wieder offensiv formt. Für die Pianistin Revital Hachamoff rollt das Orchester dann den roten Teppich aus: Die Israelin liefert mit George Gershwins „Rhapsody in Blue“ eine eindrucksvolle Vorstellung.
Ihre Finger tanzen mal gefühlvoll leise, dann wieder mit akrobatischer Rasanz über die Tasten, dass ihre blonden Locken in die Höhe fliegen. Großer Beifall für eine mitreißende Interpretation folgt. Gern hätte man noch mehr von der erfolgreichen Solistin gehört.
Daniel Finkernagel, der das Neujahrskonzert zum vierten Mal moderiert, trifft mit seinen unterhaltsamen Zwischenansagen den Nerv des Publikums. Erhellend erklärt er erst einmal, was es mit einer Rhapsodie auf sich hat: „Das ist wie bei der Großen Koalition: Eine lose Anordnung von Ideen und Einfällen.“
Der Musikwissenschaftler weiß, wo die natürlichen Grenzen verlaufen: „Stellen Sie sich auf die Mitte der Südbrücke. Dur ist alles Linksrheinische, das Helle und Liebenswerte. Wenn Sie ihr Standbein verlagern, sehen Sie die Welt in Moll: verzagt, grau, trist. Die Blue Notes schwingen zwischen beiden Seiten hin und her. Das würde man im echten Leben natürlich nie machen.“ Gelächter.
Kriminalistisch geht es mit bekannten TV-Titelmelodien weiter: Die Kammerakademie spielt die Titelmusik von „Der Kommissar“, „Derrick“ und „Tatort“. In der Pause müssen die Zuschauer die Reihenfolge der Stücke benennen, um Preise zu gewinnen. Die spätere Gewinner-Ziehung zeigt, dass ein paar Teilnehmer ziemlich daneben liegen.
In die Welt der Zigeunermusik führt die Ungarische Rhapsodie Nr. 2 von Franz Liszt. Der habe damals schon kategorisch erklärt, dass ein Musiker Zigarre rauchen und Cognac trinken müsse. Richard Strauss sei da ein Vorbild. Der habe „mit Testosteron komponiert“ und sich auf Drängen seiner Frau noch mit 75 Jahren das Rauchen abgewöhnt, berichtet Finkernagel launig.
Und schon erklingt der Rosenkavalier. „Der hat die rheinische Maxime ,Et hät noch immer jot jejange’ in einen Dreiviertel-Takt gegossen“, feixt der Moderator.
Viel Applaus und zwei Zugaben mit dem Radetzkymarsch beschließen ein unterhaltsames Neujahrskonzert.