Wohlfahrtspflege in Neuss Die Wohlfahrtsverbände sind im Umbruch
Neuss. · In gleich vier Sozialverbänden in Neuss kündigen sich Wechsel an der Spitze an.
Die Wohlfahrt ist auch ein Geschäft. Das ruft große soziale Dienstleister auf den Plan, und es gibt immer wieder Politiker, die über eine Übertragung der Aufgaben an diese Unternehmen nachdenken. In der Stadt und dem Kreis ist das noch nicht so. Hier setzt man auf die freien Wohlfahrtsverbände mit gemeinnützigen Strukturen. „Die gibt es nicht mehr überall, aber wir werden sie verteidigen“, sagt Karl Boland.
Boland ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände und gehört zu jenen Entscheidern, die Franz Beering-Katthagen vom Sozialdienst katholischer Männer (SKM) zum personellen Grundgerüst der Großstadt Neuss zählen würde. Ein eingespieltes Team, das jetzt auf vielen Positionen neu besetzt werden muss: Zum Jahresende steht bei gleich vier von sieben Verbänden ein Führungswechsel an. „Ich erlebe nur noch Abschiedsveranstaltungen“, sagt Boland, der als Kreisgruppen-Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtverbandes im November geht. Die Suche nach dem Nachfolger läuft.
Doppelstrukturen auf Kreis- und Stadtebene gibt es nicht mehr
Bei der Caritas, der Diakonie und dem Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) sieht es ähnlich aus. Christoph Havers, der noch die 2018 erfolgte Fusion der Diakonischen Werke von Stadt und Kreis mitgestalten wollte und dafür sein Dienstzeitende nach hinten verschob, will seinen Schreibtisch nun räumen. SkF-Geschäftsführerin Ruth Braun hat diese Entscheidung auch getroffen. Vierter im Bunde ist Norbert Kallen, der Geschäftsführer der Caritas.
Die gemeinsamen Errungenschaften müssen neben Beering-Katthagen auch Bülent Öztas (Awo) und Marc Dietrich vom DRK verteidigen. Dietrich repräsentiert als DRK-Geschäftsführer in Neuss und kommissarischer Leiter des Schwesterverbandes in Grevenbroich derzeit faktisch, was Verbände wie Caritas und Diakonie schon formal vollzogen haben – die Organisation der Angebote auf Kreisebene. Doppelstrukturen, die es bis zur Insolvenz des Awo-Kreisverbandes auch bei diesem Träger gab, gehören nach Bolands Darstellung der Vergangenheit an.
In der Arbeitsgemeinschaft tauschen sich die Vertreter der im Kreis aktiven freien Träger nicht nur inhaltlich aus, sondern formulieren auch Positionen, die sie dann gemeinsam gegenüber dem Kreis, aber auch seinen Städten und Gemeinden, vertreten. Und sie stimmen ab, wer wie aktiv wird. „Es wäre fatal, wenn jeder alles machen würde“, sagt Kallen. Auch weil damit, wie Beering-Katthagen ergänzt, ein großes Plus der gemeinnützigen Strukturen verloren ginge: die Fähigkeit, schnell reagieren zu können.
Kreisdirektor Dirk Brügge schätzt genau das: „Die Verbände sind dichter an den Bedürfnissen als es Verwaltung sein kann.“ Für ihn bleiben sie daher unverzichtbar. -nau