Galeria-Kaufhof in Neuss wehrt sich gegen Schließungspläne Viele Neusser hängen an ihrem Kaufhof
Neuss/Dortmund. · Neusser Betriebsrat bei der Kundgebung in Dortmund präsent. Er will Brauchtumsvereine um Unterstützung bitten.
Die Gewerkschaft Verdi hatte alle Betriebsräte der Galeria-Karstadt-Kaufhof-Häuser, die von Schließung bedroht sind, nach Dortmund eingeladen. Mit dabei war Heike Waschelitz (52), die als Betriebsratsvorsitzende gut 80 Mitarbeiter der Neusser Kaufhof-Filiale vertritt. Darunter sind auch einige, die bereits bei der Eröffnung des Hauses vor 44 Jahren dabei waren. Heike Waschelitz ist seit 36 Jahren mit Beginn ihrer Ausbildung im Unternehmen. „Die Versammlung der Betriebsräte aus den Warenhäusern, die geschlossen werden sollen, war sehr emotional“, berichtet sie, „die Stimmung bei dem Gedankenaustausch war zwischen Weinen und Wüten angesiedelt.“
Anschließend konnten die 50 Teilnehmer bei einem Demonstrationszug vom Dortmunder Freizeitzentrum West durch die Einkaufsmeile bis zum Hansaplatz ihre Wut auf die Konzernleitung wirklich herausschreien. Die Demonstration wuchs durch spontane Beteiligung von Passanten und Betriebsräten anderer Warenhäuser auf 250 Personen an, wie die Ruhr-Nachrichten Dortmund berichten. Allein in Dortmunds Innenstadt sollen drei Häuser geschlossen werden, darunter auch das „Karstadt Sports“ auf dem Hansaplatz. Davor fand die Schlusskundgebung statt. Unter anderen Rednern forderte Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, einen Rettungsschirm für die Warenhauskette. In Anspielung auf die Lufthansa betonte er: „Auch Warenhäuser sind systemrelevant!“
Heike Waschelitz macht der Tag in Dortmund Mut, „mit aller Macht für Neuss weiter zu kämpfen“. Sie ist dankbar für ein „ehrliches Gespräch mit Bügermeister Reiner Breuer“, dem sie die mittlerweile 1700 Unterschriften unter eine Online-Petition übergeben hat.
Viele Kunden tragen sich in Listen ein
Die meisten Kunden betreten das Kaufhaus an der Niederstraße und tragen sich zunächst in Listen ein, die für den Erhalt plädieren. Heike Waschelitz will auch die Neusser Brauchtumsvereine, die der Kaufhof viele Jahre unterstützt hat, nun ihrerseits um Unterstützung bitten. Dabei versteht sie nicht, dass noch Ende vergangenen Jahres der Mietvertrag um acht Jahre verlängert wurde. „Und wenige Monate später soll Schluss sein?“, fragt sie und fügt hinzu: „Von den Zahlen her ist Neuss okay. Auch die zentrale Lage ist toll, mit einer Haltestelle vor der Tür.“
Am Samstag war der Kaufhof gut besucht, wovon lange Schlangen vor den Kassen zeugten. „Das würde mich sehr treffen, wenn dieser Multistore in einer kargen Landschaft mit zu vielen Ein-Euro-Shops schließen müsste“, sagt der Neusser Detlef Reichert. Einen weiteren Aspekt formuliert Marion Werner, Lehrerin am Berufskolleg Weingartstraße: „Ich würde es unendlich bedauern, wenn wir keine Auszubildenden vom Kaufhof mehr bekämen.“ Für Lara Marie Herring ginge eine liebgewonnene Tradition verloren: „Hier fühlte ich mich schon beim Einkauf mit meiner Mutter wohl. Im Kaufhof finde ich alles, früher die Schulsachen, heute tolle Wäsche.“ Ulrike und Theo Forst finden es verheerend, „dass das einzige Neusser Warenhaus als Vollsortimenter geschlossen werden soll. Und Wohnbebauung ist für uns keine wahre Alternative.“ Ein wenig Entspannung brachte die sechsjährige Ebru, die sich für ein gutes Zeugnis in der großzügigen Spielwarenabteilung etwas aussuchen durfte: „Wenn das Haus schließt…, bis dahin habe ich zu Hause genug Spielsachen.“
Hoffnung hat auch Heike Waschelitz noch, „denn die Hoffnung stirbt zuletzt!“ Ihr macht die Theresa Schleicher vom Frankfurter Zukunftsinstitut Mut: „Im Grunde ist Galeria Kaufhof sehr zeitgemäß. Es ist ein Ort, an dem man alles bekommt, und das ist ja beim Online-Händler Amazon nicht anders.“