Grevenbroich: Flaschen und Gläser schweben im Raum

Kunstverein zeigt in der Versandhalle die Arbeiten von Melanie Richter.

Grevenbroich. Fast unwirklich muten sie an, die Bilder von Melanie Richter. Dabei hat die Malerin durchaus vertraute Alltagsgegenstände als Motive gewählt. Aber ihre Flaschen und Gläser scheinen schwerelos wie in einer Raumkapsel zu schweben, und transparente Flächen leuchten geradezu aus der Leinwand heraus.

Seit Samstag zeigt der Kunstverein in der Versandhalle eine Auswahl aus den beiden Werkgruppen "Bottles" und "Glasses", an denen die Kunstakademie-Absolventin und Meisterschülerin von Dieter Krieg seit Jahren arbeitet. Bewusst spannt ihre aktuelle Ausstellung mit dem Titel "Goblets", also "Kelche", einen Bogen zwischen dem Gebrauchsgegenstand und dem sakralen Objekt, etwa dem Abendmahlskelch.

In einem aufwändigen Verfahren trägt die Künstlerin als erstes flüssiges Wachs auf die Leinwand auf. Ein Wettlauf mit der Zeit, denn das Wachs darf erst dann fest werden, wenn es ins Gewebe eingesickert ist. Sichtbare Spuren hinterlässt diese Behandlung allerdings keine, sodass die Künstlerin beim anschließenden Aufbringen der Farbe auf ihre Skizzen angewiesen ist. An den wachsdurchtränkten Stellen nimmt die Leinwand die Farbe nicht auf, die hellen Flächen zeigen sich, sobald sie das Wachs mit einem Heißlüfter entfernt hat.

Indes offenbaren die mehr als mannshohen Bilder ihren Charakter erst aus einigen Metern Entfernung. Erst dann fügen sich die Farbflächen zu einer verständlichen Formensprache zusammen. Den Platz für solche Großformate hat die Malerin in ihrem Atelier am Neusser Bahnhof "unter den Gleisen" - wie Melanie Richter schmunzelnd sagt. Was dort entsteht, "brennt sich förmlich in die Netzhaut des Auges ein, als hätte man zu lange in die Sonne geschaut", so Kunsthistorikerin und Kunstvereins-Vorstand Jutta Saum in ihrer Einführung.

Das Spektrum der Motive ist weit gefasst: Milchgläser sind dabei, andere Flächen erinnern an Kalkränder, wie sie jede Hausfrau fürchtet. Auch Melanie Richter findet den Effekt aus Haushalts-Sicht "ziemlich ätzend". Aber künstlerisch betrachtet, ist es "genau das, was ich will".

Jedenfalls bei einigen Arbeiten. Die gelbe Prosecco-Flasche lässt sie dagegen so richtig sprudeln - Wachsspritzer sorgen dabei für den richtigen Effekt. Auf wieder anderen Bildern dominieren Kelche, die mit ihren protzigen Silber- und Goldelementen an das christliche Abendmahl erinnern. All das ist nur ein Teil der künstlerischen Wahrheit, sagt die Malerin: "Allein über das Motiv erschließen sich die Arbeiten nicht."