Grevenbroich hat das Windrad der Zukunft
Der weltweit erste Prototyp wurde jetzt vom TÜV zertifiziert. Kostenpunkt: 300 000 Euro.
Lange hatte Sylvia Böcker von der Firma „Directtech Global“ aus Moers warten müssen, nun konnte sie auf der Frimmersdorfer Höhe endlich die Prototypen-Zertifizierung vom TÜV Rheinland für eine Kleinwindanlage ihres Unternehmens entgegennehmen. Seit etwa drei Jahren steht die nur rund 20 Meter hohe Anlage mit zehn Kilowatt Leistung auf dem Testfeld der Firma Windtest, berichtet deren Bereichsleiter Eric Effern. Seit zwei Jahren und zwei Monaten wird mit Messungen und Tests auf die Zertifizierung hingearbeitet. Das Besondere: Es handelt sich um das erste Prototypen-Zertifikat weltweit für eine sogenannte Kleinwindanlagen-Vertikalturbine.
Denn anders als die großen Anlagen auf dem Testfeld mit ihren oft riesigen Rotorblättern, die sich wie ein Propeller bewegen, hat die Anlage von Directtech vertikale Schaufeln, die sich wie ein Kreisel drehen. An der Testanlage sind zwei Rotoren mit je drei Blättern angebracht. Rund 300 000 Euro hat die Zertifizierung gekostet, „für eine Kleinwindenergieanlage eine große Anstrengung“, wie Effern betont, denn es muss derselbe Aufwand betrieben werden wie für eine Großanlage. Gleichzeitig ist die Zertifizierung aber auch ein Qualitätsmerkmal: „Das höchste Niveau, das man erreichen kann“, wie Böcker betont. Mit der Kleinwindanlage hat Directtech viel vor, wie Böcker berichtet. Schon jetzt werde aus vielen Ländern weltweit — unter anderem Pakistan, Indien, Kenia, Uganda und Japan — Interesse signalisiert, berichtet die Geschäftsführerin.
Drei deutsche Haushalte können unter Volllast von der Anlage mit Energie versorgt werden, in Regionen mit geringerem Energieverbrauch seien es entsprechend mehr. „Die Anlage ist für windreiche, abgelegene Gegenden interessant“, sagen die beiden. Sie schildern die Vorteile gegenüber großen Windrädern: Die Kleinwindanlage ist schnell und einfach aufzubauen und zu transportieren. „Eine Anlage in der Größe wie diese kann — wenn das Fundament und alles andere vorbereitet ist — in einem Tag aufgebaut werden. Dann dauert es noch drei Tage, bis sie in Betrieb ist“, so Böcker. Größer dimensionierte Modelle nach dem gleichen Konzept bräuchten etwas mehr Zeit. Ein weiterer Vorteil aus Sicht der Geschäftsführerin: Die Kleinwindanlage ist preisgünstiger als große Windräder. Die genauen Kosten möchte Böcker allerdings nicht nennen. Sie betont: „Die Anlage ist sehr leise und kann auch nahe einer Wohnbebauung eingesetzt werden.“ Zudem könne sie mit Energiespeichern ausgerüstet werden. Directtech denke auch an ein Zusammenspiel mit anderen erneuerbaren Energien nach, etwa der Photovoltaik-Technik, so Böcker.
Sie kann sich auch einen großflächigen Einsatz vorstellen, um in Zukunft Energie für Elektroautos bereitzustellen, etwa entlang von Autobahnen. Die Verbindung mit einem Wasserstoffspeicher, bei dem die elektrische Energie in Form von flüssigem Wasserstoff gespeichert wird, sei ebenfalls eine Option. Wie Federico Osvald vom TÜV Rheinland berichtet, wurden für die Prototypen-Zertifizierung technische Tests durchgeführt, aber auch die Sicherheit der Anlage wurde geprüft: „Wir haben alle möglichen Gefahren analysiert.“ Die Prototypen-Zertifizierung sei ein wichtiger Schritt zum endgültigen Zertifikat: „Jetzt sind zwei Jahre Zeit für letzte Messungen und die Dokumentation der Herstellungsüberwachung.“