Grevenbroicherin (57) vermisst - Sohn sucht mit Hilfe eines "Sehers"

Der 32-jährige Sven Herrmann gibt die Hoffnung nicht auf, dass seine seit elf Tagen vermisste Mutter lebend gefunden wird.

Foto: Wiljo Piel

Grevenbroich. Sven Hermann (32) sucht verzweifelt nach seiner Mutter. Die 57 Jahre alte Grevenbroicherin ist seit elf Tagen verschwunden. Ermittlungen der Polizei — unterstützt von mehreren Suchhubschraubern — brachten bislang kein Ergebnis. Der Sohn hat zwischenzeitlich eine private Spürhund-Staffel, sogenannte Mantrailer, engagiert und in seiner Verzweiflung auch einen „Seher“ eingeschaltet. Der geht von einem Gewaltverbrechen aus.

Die Mutter hatte am Sonntag, 4. Februar, ihre Wohnung an der Feilenhauerstraße verlassen. Ihr Handy und ihre Brille lagen noch auf dem Tisch — neben einem halb vollen Glas mit Mineralwasser, frischem Weißbrot und Honig. Tags darauf meldete sich ihr Chef beim Sohn, weil die 57-Jährige unentschuldigt am Arbeitsplatz fehlte. Seit dem 8. Februar sucht die Polizei im Rahmen einer Öffentlichkeitsfahndung nach der Vermissten.

Seine Mutter habe im Dezember an Depressionen gelitten, auch Medikamente genommen — doch dass sie ohne ein Wort aus seinem Leben verschwindet, will Sven Hermann nicht glauben. „Sie würde mich nie freiwillig alleine lassen“, sagt der 32-Jährige mit Blick auf einen möglichen Suizid. „Weil sie genau weiß, dass mich das sehr hart treffen würde.“ Mutter und Sohn stammen aus der DDR. Im Sommer 1989 — Monate bevor die Mauer fiel — flüchteten sie gemeinsam über die ungarische Grenze nach Westdeutschland. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis“, berichtet Sven Hermann. Zu seinem Vater hat er seit Kinderzeit keinen Kontakt mehr.

Auf der Suche nach seiner Mutter hat der 32-Jährige längst Privatinitiative ergriffen, „um die gute Arbeit der Polizei zu unterstützen“, wie er meint. Hermann engagierte die Gruppe „K 9 Mantrailing“, die mit drei Spürhunden das Orkener Bendgebiet durchforstete. Tatsächlich nahmen die Tiere dort Witterung auf, doch die Spur endete an einem Tümpel nahe der Erft. „Eine Rastersuche in einem Umkreis von einem Quadratkilometer blieb erfolglos“, berichtet Hermann. Ganz in der Nähe von dem Ort, an dem sich die Spur seiner Mutter verlor, war im Dezember vergangenen Jahres eine Joggerin von einem unbekannten Mann überfallen und vergewaltigt worden. „Ich hoffe, dass es keine Parallelen dazu gibt.“

Einen weiteren Hinweis auf die Vermisste gibt es aus Kapellen. Eine Anwohnerin der Stadionstraße ist sich sicher, sie am Nachmittag des 4. Februar gesehen zu haben. Zwischen 15.30 und 15.40 Uhr sei die 57-Jährige in Richtung des Netto-Parkplatzes spaziert — augenscheinlich in guter Verfassung.

Auch dort wurden die Mantrailer-Hunde eingesetzt. Die Spur der Grevenbroicherin verlor sich aber auf der gegenüberliegenden Seite des Supermarktes, an der Bushaltestelle nahe der Tankstelle. Dass sie diesen Ort mit einem Bus verlassen hat, schließt Sven Hermann aber definitiv aus: „Die Haltestelle wird sonntags nicht angefahren.“ Seine Vermutung: „Entweder ist sie dort freiwillig in ein Auto eingestiegen — oder sie wurde in eines hineingezerrt.“

Dass die Grevenbroicherin einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist, davon ist der „Seher“ Michael Schneider aus Siegburg überzeugt, den Freunde von Sven Hermann am vergangenen Montag kontaktiert haben. Der Parapsychologe geht davon aus, dass die 57-Jährige tot ist und am Westufer eines Baggersees bei Hückelhoven-Brachelen liegt. Schneider arbeitet „unentgeltlich und ohne Belohnungsabsicht“, wie er sagt. „Ich will beweisen, dass es so etwas gibt.“ Zuletzt war der Siegburger 2017 im Fall des verschwundenen Timo Kraus tätig, er habe den Fundort der Leiche des ehemaligen HSV-Managers „bis auf ein paar Hundert Meter“ vorausgesagt.

Freunde von Sven Hermann haben den Baggersee im Kreis Heinsberg aufgesucht — und dort tatsächlich „frische Kleidungsstücke“ gefunden, sagt der 32-Jährige. Weste, Jeans und T-Shirts würden zwar zur Konfektionsgröße seiner Mutter passen, sagt er — „doch gesehen habe ich sie in diesen Kleidungsstücken noch nicht“.

Sven Hermann hofft, dass sich die Eingebung des „Sehers“ nicht bewahrheitet, und am Ende noch alles gut wird. Auf der Suche nach seiner Mutter hat er Plakate im Stadtgebiet aufgehängt, sein Aufruf auf Facebook ist viele Male geteilt worden. „Die Unterstützung ist sehr groß“, sagt er.

Auch Kanuten haben sich beteiligt, sie paddelten die Erft ab, untersuchten Rohrleitungen und Uferböschungen. In Absprache mit der Polizei hat die Facebook-Gruppe „Grevenbroich 2.0“ für den kommenden Freitag zu einer Suche aufgerufen. „Wir wollen in kleinen Gruppen durch den Bend gehen“, sagt Administratorin Jenny Goergens. Treffpunkt ist um 14 Uhr auf dem Parkplatz vor dem Sportplatz am Orkener Türling.

Sven Hermann hat die Bankdaten seiner Mutter durchsucht, es habe weder EC- noch Kreditkartenabbuchungen gegeben. Auch auf dem Handy hätten sich keine Hinweise auf den Verbleib der 57-Jährigen gefunden. Beim Auslesen des Routers von der Mutter sei er allerdings auf unbekannte Telefonnummern gestoßen, die noch untersucht werden sollen.

„Das Verschwinden der Frau ist nicht zu erklären“, sagt Polizeisprecherin Daniela Dässel. Die Kripo ermittle daher weiter „in alle Richtungen“ — vom Ausbruch aus dem Alltag über Suizid bis hin zum Gewaltverbrechen sei nichts auszuschließen. Auch den Vermutungen des „Sehers“ gehen die Ermittler nach, es werde geprüft, ob die im Kreis Heinsberg gefundenen Kleidungsstücke der Vermissten zugeordnet werden können.