Haus Lebensbrücke: Ziel ist die eigene Wohnung

Das Haus Lebensbrücke in der Nordstadt besteht seit 50 Jahren.

Foto: Stefan Büntig

Neuss. Viele Sommerfeste stehen derzeit im Kalender. Ein sehr besonderes, das sicher nicht allzu große Beachtung finden wird, steigt am 3. Juli in der Nordstadt: Dann feiert das Haus Lebensbrücke sein 50-jähriges Bestehen. Das frühere „Heim für Nichtsesshafte“ ist Wohnstätte für 40 Menschen — und mehr als das. Hier werden Männer, die sonst auf der Straße landen würden, auf die Übernahme einer Wohnung vorbereitet.

„Raus aus der Wohnungslosigkeit“ ist das Ziel der Arbeit in der Lebensbrücke. Florian Adolphi, Leiter der Einrichtung seit vielen Jahren, stellt klar: Dies ist keine Notunterkunft für Obdachlose, sondern eine Maßnahme der Stadtverwaltung im Zuge der „Hilfe in besonderen Lebenslagen“. Es kommen Menschen nach Wohnungsräumung und Haftentlassung, Männer mit Suchtproblemen, psychischen Störung und Hilfesuchende, bei denen eine Vielzahl von Problemen zusammenkommt.

Rund um die Uhr ist die Pforte des Hauses an der Normannenstraße besetzt. Kommt ein Kandidat, spricht Adolphi mit ihm — und sagt zu oder ab. „Wer hier leben will, muss sich auf uns und die stationäre Hilfe einlassen“, sagt er. Dass andere sich um ihn kümmern, aber auch für ihn entscheiden werden, ist nicht für jeden Hilfesuchenden akzeptabel. Und auch, wer ohne die ganz große Not einen Wohnplatz möchte, hat im Haus keine Chance. „Wer noch zu fit ist für unsere Einrichtung oder aus Bequemlichkeit kommt, nähme hier nur anderen einen Platz weg“, sagt Adolphi.

Die 40 Plätze sind immer besetzt. Im Schnitt ein Jahr leben die Männer hier. Viele von ihnen sind abhängig, werden im Haus weiterhin kiffen — und sicherlich wird auch, obwohl das nicht gestattet ist, gefixt. Es gibt Gruppenarbeit mit Sozialarbeitern, doch eine Therapie kann das Haus nicht bieten, betont Florian Adolphi, der bekennt, er sei zunehmend pragmatischer geworden.

In den 20 Jahren an der Normannenstraße hat er einen tiefgreifenden Wechsel erlebt. Zunächst kamen die klassischen Tippelbrüder, meist Mitte 50, Aussteiger. Jetzt sind es jüngere Männer, „meist aus der Mittelschicht und mit ganz anderem Anspruch“, betont Adolphi. Viele gezeichnet von Drogen, viele psychiatrische Fälle, die medikamentös eingestellt sind. Ja, es gebe auch Übergriffe, so der Einrichtungsleiter, doch oft funktioniere das Zusammenleben so ganz unterschiedlicher Menschen erstaunlich gut. Bei den „Zwangsgruppentreffen“, wenn das wöchentliche Geld von 63 Euro ausgezahlt wird, sprechen sie über Streit, Ärger — und das, was klappt.

Es laufe gut, sagt etwa Michael, der sich manchmal mit Pförtnerdiensten etwas dazuverdient. Seit einem Jahr lebt er hier, hofft bald auf eine eigene Wohnung. Eins will er nie mehr erleben: Die Unterbringungsstelle der Stadt am Derendorfweg sei „einfach menschenunwürdig, die Hölle auf Erden“.