In 100 Metern Höhe: RWE kontrolliert Stromleitungen mit dem Helikopter
Neuss. Anlehnen und auf den Bord-Service warten, zumeist erschütterungsfrei durch die Luft transportiert werden — nein, mit einem Flug im Passagierflugzeug hat die Tour in dem Helikopter D-HAFC nicht viel gemein.
Im Inneren gilt: Man ist viel näher dran an allem. Am Piloten, an den blinkenden Lichtern, Knöpfen und Anzeigen, und über ein Headset ist der Funkverkehr zu hören.
Vor allem aber ist man ganz nah dran am Nichts. Gerade mal 1,90 Meter breit, drei Meter hoch und rund elf Meter lang ist der Bell 206 BIII Jet Ranger. Das heißt: ein Anschnallgurt, Fenster in scheinbar dünnen Blechwänden, und dann geht es in die Tiefe, sowohl nach vorne als auch zu beiden Seiten, 30 bis 100 Meter weit. „Die Spucktüten liegen hinter den Sitzen bereit“, sagt Pilot Marc Menke vorsorglich.
Gebraucht werden sie nicht. Ein bisschen mulmig wird einem dennoch, als sich die Rotorblätter zu drehen beginnen und es in der Kabine ordentlich ruckelt. Dann geht es in die Höhe, senkrecht — ein Gefühl von Leichtigkeit.
Das Ziel von Marc Menke sind die Stromleitungen des RWE-Konzerns. 251 Kilometer sind auf Neusser Gebiet abzufliegen. Obermonteur Frank Kuder begutachtet aus der Luft jede Leitung und jeden Strommasten ganz genau. Dazu fliegt Menke in Schrittgeschwindigkeit, hin und wieder etwas höher, mal eine Schleife, um auf die andere Seite zu gelangen. 50 Masten schafft Kuder so in der Stunde.
„Rund 14 Tage brauchen wir dafür. Den ganzen Tag auf die Leitungen zu gucken, kann ganz schön anstrengend werden. Da flimmern schon mal die Augen“, sagt Kuder. Besonders bei hohen Temperaturen sinkt der Spaßfaktor des Helikopterflugs, weiß Menke. „Bei 35 Grad Außentemperatur ist es hier drinnen wegen der großen Fensterflächen fast unerträglich. Dann hängen wir die Türen aus, damit die Luft zirkulieren kann“, sagt der Pilot.
Wenn das Team einen Defekt erkennt, wird die Stelle notiert und je nach Schwere sofort weitergegeben. „Dort haben wir einen Erdseilschaden“, sagt Kuder und zeigt auf das oberste Seil, das geerdet ist und die Hochspannungsleitungen mit 110 000 bis 380 000 Volt darunter vor Blitzeinschlägen schützen soll. „Das war vermutlich ein Blitz, da hängt ein Stück Seil herunter.“
Neben Schäden werden auch Stellen notiert, an denen Vögel ihre Nester gebaut haben. „Da hängen schon Zweige heraus, die kommen der Leitung ganz schön nah“, sagt Kuder und zeigt auf ein Nest an einem Mast. „Die lassen wir rausholen. Zu dieser Jahreszeit sind keine Eier oder Jungtiere darin.“
Nach etwa zwei Stunden geht es zurück auf festen Boden. „Dann wird getankt. Und uns tut eine kurze Pause auch ganz gut“, sagt Kuder.