In Kaarst gibt es zu wenige Hausärzte
Im Stadtgebiet sind elf Hausarztsitze nicht besetzt. Gerade Ältere stellt das vor Probleme.
Kaarst. Im Stadtgebiet sind elf Hausarztsitze unbesetzt. Das bestätigte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein. Der Versorgungsgrad liege bei rund 70 Prozent und damit bei einer rechnerischen Unterversorgung. Für den Chef der FDP-Stadtratsfraktion Günter Kopp ein Unding. Schon vor rund drei Jahren habe seine Fraktion auf das drängende Problem hingewiesen. „Inzwischen hören wir immer häufiger von Patienten, die lange auf einen Termin warten müssen“, sagt er. Nach Angaben der KV ist 2016 eine weitere Stelle frei geworden, weil das Beschäftigungsverhältnis einer angestellten Ärztin in einer Kaarster Hausarztpraxis endete.
Dr. Gerhard Schneider, Kreisstellenleiter der KV Nordrhein
In der Stadtverwaltung ist der Mangel an Hausärzten bekannt. „Wir können aber nicht verfügen, wo sich ein Hausarzt niederlässt“, sagt der Erste Beigeordnete Sebastian Semmler. Diese Entscheidung obliegt dem Mediziner selbst und muss von der KV genehmigt werden. „Kaarst ist für Hausärzte kein attraktiver Standort“, sagt Dr. Gerhard Schneider. Der Allgemeinmediziner ist Kreisstellenleiter der KV Nordrhein für den Rhein-Kreis Neuss und weiß: „Kaarst ist eine typische Schlafstadt. Die meisten Menschen, die dort wohnen, arbeiten in den umliegenden Städten, etwa in Düsseldorf oder Mönchengladbach — und dort gehen sie auch zum Arzt.“ Meist würde der Ruf nach einem Hausarzt in der Nachbarschaft erst dann laut, wenn das aktive Arbeitsleben beendet und der Weg in die Großstadt aus Alters- oder Gesundheitsgründen nicht mehr möglich sei.
Für FDP-Fraktionschef Kopp liegt genau da das Problem. „Kaarst hat schon jetzt einen sehr hohen Altersdurschnitt, und er wird in den kommenden Jahren weiter steigen“, stellt er fest. Immerhin waren laut „Sozialplan Alter“ Ende des Jahres 2014 insgesamt 10 861 Frauen und Männer zwischen 60 und 80 Jahre alt, also 25,5 Prozent der gesamten Einwohnerzahl. Genau 2480, somit 5,8 Prozent, waren 80 Jahre oder älter.
Der Analyse zufolge wird die Altersgruppe ab 80 Jahren voraussichtlich bereits bis 2020 noch einmal um rund die Hälfte und bis 2030 um mehr als das Doppelte anwachsen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird dann rund 13 Prozent betragen. Tatsache ist auch: Auf die 43 286 Kaarster Einwohner kommen nach Angaben der KV Nordrhein zum Stichtag 1. Januar 2017 genau 19 Hausärzte. Das entspricht einem Hausarzt für rund 2278 Menschen. Der Erste Beigeordnete Sebastian Semmler weiß, dass dies keine gute Quote ist. „Für viele ist es schwierig, im Stadtgebiet einen Hausarzt zu finden. Verwaltung und Politik müssen massiv gegensteuern, damit sich die Situation nicht noch dramatischer zuspitzt“, sagt er. So müsse die Stadt sich für Ärzte attraktiver machen und Anreize schaffen. Doch weil das unter Umständen mit Kosten verbunden sei, brauche die Verwaltung dazu einen Planungsauftrag der Politik. Doch Kaarst buhlt mit vielen anderen Städten und Gemeinden um die Niederlassung von Hausärzten, die im ganzen Bundesgebiet fehlen. Nach Angaben der KV gibt es allein im Gebiet Nordrhein aktuell rund 210 freie Hausarztsitze, vor allem in der Peripherie am linken Niederrhein, in Oberberg und in der Voreifel. „Und auch im Rhein-Kreis Neuss gibt es Gemeinden wie etwa Jüchen, wo die Versorgung durchaus schlechter ist als in Kaarst“, so Dr. Gerhard Schneider. Dank der Nähe zu Neuss und Düsseldorf bestehe in Kaarst zwar rechnerisch eine Unterversorgung, in der Realität gäbe es sie jedoch nicht.