In Neuss dürfen nur geschulteMitarbeiter der Stadt böllern

Nach dem Todesfall im Sauerland sind die Schützen im Rhein-Kreis bestürzt. In Grevenbroich wird geprüft, den Abstand zwischen Publikum und Kanone beim Einböllern zu vergrößern.

Foto: Woitschützke

Rhein-Kreis. Markus Reipen zeigt sich tief erschüttert: „Das geht einem nah“, sagt der amtierende Neusser Schützenkönig zum Tod seines sauerländischen Amtskollegen, der am Wochenende in Marsberg seinen Verletzungen durch Salutschüsse erlegen war. „Ein Schützenfest sollte ein Fest der Freude sein — schrecklich, wenn so etwas passiert“, sagt Reipen, der zugibt, derzeit mit etwas gemischten Gefühlen an das traditionelle Einböllern des Schützenfestes Ende August zu denken.

Er kann sich das Unglück am ehesten mit einem Materialfehler erklären. „Wer mit Sprengstoff zu tun hat, geht sehr vorsichtig damit um“, meint Reipen. Er geht davon aus, dass die Verantwortlichen im Neusser Ordnungsamt künftig noch größere Sorgfalt und Aufmerksamkeit an den Tag legen.

In Neuss werden andere Geschütze benutzt als in Marsberg. „Während in Marsberg Vorderlader zum Einsatz kamen, nutzen wir Hinterlader“, sagt Stadtsprecher Peter Fischer. „Außerdem ist das Böllern bei uns anders geregelt. Bei allen 19 Schützenfesten im Neusser Stadtgebiet übernehmen das nicht die Schützenvereine, sondern speziell geschulte Mitarbeiter des Ordnungsamtes.“

So ist ein Sprengstofferlaubnisschein Voraussetzung für das Abfeuern der Salutkanonen. Diesen Nachweis besitzen sieben Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die sich die Einsätze bei den Schützenfesten teilen.

„Unsere Kanonen wurden 1997 in Niederbayern angefertigt und seither regelmäßig alle fünf Jahre unter schärfsten Bedingungen ,beschossen’“, erläutert Uwe Neumann, Leiter des Bürger- und Ordnungsamtes. Erst im vergangenen Jahr wurden die Salutkanonen noch vom Hersteller generalüberholt.

Der Vorfall in Marsberg beschäftigt auch die Schützen in Grevenbroich. Sie sind bestürzt, denn schließlich werden auch die Heimatfeste in der Schlossstadt vielerorts „eingeböllert“. Peter Cremerius, Präsident des Bürgerschützenvereins Grevenbroich, kündigt an, mit dem Vorstand und den Schießmeistern Gespräche zu führen. „Unsere Erich-Köppen-Kanone wird natürlich regelmäßig gewartet und geprüft. Die Auflagen sind streng und werden von uns erfüllt“, sagt Cremerius. „Dennoch werden wir diskutieren, ob wir den Sicherheitsabstand zwischen Publikum und Kanone nicht eventuell doch noch einmal vergrößern.“

Erik Lierenfeld, Bürgermeister von Dormagen

Sicherheit ist auch in den anderen Grevenbroicher Bruderschaften und Schützenvereinen ein großes Thema. Mitglieder des Artilleriezuges Neurath und des Artilleriecorps Allrath wirken zum Beispiel in der „Interessengemeinschaft (IG) Pulver“ mit. Ihr gehören Schützen aus Vereinen der Region aus Grevenbroich, Dormagen, Neuss, Kaarst, Jülich, Köln und Düsseldorf an.

Tiefe Betroffenheit herrscht auch bei den Schützen in Dormagen. „Das ist sehr tragisch“, sagte Rolf Starke, Chef des Dormagener Bürger-Schützen-Vereins. Trotzdem nehme der BSV-Vorstand keinen Abstand vom Böllern in Dormagen: „Die Sicherheitsvorkehrungen und Auflagen sind bereits sehr hoch.“

Die Kanone, mit der die Garde-Artillerie „Schwarze Husaren“ die Böllerschüsse abfeuert, wurde nach Sicherheitsaspekten gebaut: mit einem Außenrohr, das über dem eigentlichen Schießrohr besseren Schutz bieten soll.

Kanonen und Böllerschützen würden alle fünf Jahre überprüft: „Wir müssen unsere Eignung nachweisen“, erklärte Werner Thelen von der IG Pulver.

Bürgermeister Erik Lierenfeld mahnte bei seiner Rede im Nievenheimer Festzelt zur Besonnenheit: „Es macht keinen Sinn, als Sofortreaktion auf dieses tragische Unglück das Böllern abzuschaffen.“ Vielmehr müsste zunächst genau geschaut werden, woran die Fehl-Explosion gelegen habe.