Jüdische Gemeinde plant Kita

Die jüdische Gemeinde will das Zentrum an der Leostraße ausbauen und Kinder betreuen.

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Neuss. Die jüdische Gemeinde in Neuss will das Alexander-Bederov-Zentrum an der Leostraße in der Nordstadt ausbauen. Ziel ist es, die Gemeinde vor allem für junge, jüdische Familien attraktiver zu machen. Kern des Plans ist die Einrichtung einer Kinderbetreuung. „Wir stehen dazu in Verhandlungen mit der Stadt Neuss“, sagt Michael Szentei-Heise, Verwaltungsdirektor der 7000 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde Düsseldorf, zu der auch das Zentrum an der Leostraße gehört.

Im Rhein-Kreis zählt die jüdische Gemeinde zurzeit rund 600 Mitglieder. Nach einer Phase des Wachstums in den Jahren zwischen 1990 und 2004, als viele Juden aus den Gebieten der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland kamen, stagnierten die Zahlen. Seit zwei Jahren verzeichnet die Gemeinde erneut eine — allerdings deutlich geringe — Zuwanderungsbewegung. „Jetzt kommen Menschen aus den Kriegsgebieten in der Ost-Ukraine“, sagt der Verwaltungsdirektor, der mit verstärkter Jugendarbeit zusätzliche Wachstumsimpulse setzen möchte. „Eine Kinderbetreuung könnte als Magnet wirken und junge jüdische Familien anziehen. Wir reden gerade mit der Stadt über eine Mitfinanzierung, damit wir das umsetzen können.“ Zum Start denkt Szentei-Heise an eine kleine Gruppe für bis zu zehn Kinder. Dafür wäre an der Leostraße Platz genug.

Dass die räumlichen Kapazitäten für den Start einer Kinderbetreuung an der Leostraße in Neuss reichen, bestätigt auch Bert Römgens, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Neuss. Mit dem Gebäude, einem ehemaligen Kindergarten, könne die Gemeinde derzeit gut leben — mit einer Einschränkung: „Wenn sich die Sicherheitslage, was Gott verhüten möge, verschärfen sollte, wäre es schwierig, das Gebäude ausreichend zu sichern.“

Bürgermeister Reiner Breuer bestätigt die Gespräche über eine Kinderbetreuung. „Wir prüfen derzeit, was da baurechtlich möglich ist“, sagt er mit Blick auf das Bederov-Zentrum, das er aber nach wie vor als Provisorium begreift. „Ich bin der Ansicht, dass man ein Gemeindezentrum oder eine Synagoge im Stadtzentrum bauen sollte“, sagt Breuer.

Der Neubau einer Synagoge in Neuss, wie er in den 1990er Jahren schon einmal intensiv bis hin zu Vorschlägen für einen Standort an der Promenade diskutiert wurde, ist für die jüdische Gemeinde derzeit allerdings kein Thema. „Wenn wir 1500 Juden im Kreis hätten, würde sich der Bau einer Synagoge lohnen. Dann würden sich Land, Stadt und jüdische Gemeinde auch über die Finanzierung schnell einig werden“, sagt Szentei-Heise. Er veranschlagt die Kosten dafür mit acht bis zehn Millionen Euro, stellt aber fest: An der Finanzfrage wäre das Projekt auch früher nicht gescheitert.

In Gesprächen mit Bürgermeister Reiner Breuer spricht die jüdische Gemeinde derzeit übrigens nicht nur über die geplante Kinderbetreuung. „Wir haben dem Bürgermeister vorgeschlagen, eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt in Israel einzugehen“, sagt Römgens, der im vergangenen Jahr den Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel auf einer Reise nach Haifa, der Düsseldorfer Partnerstadt, begleitet hat. Dabei hätten auch andere Städte in Israel Interesse an einer Partnerschaft bekundet. „Warum dann nicht Neuss?“, fragt Römgens.

Breuer hält das für eine tolle Idee und würde sich gerne einer Reise nach Israel anschließen, das er schon vor vier Jahren besuchen durfte. Den Vorschlag selbst kommentierte er auch gegenüber Römgens zurückhaltend. Man müsse erst einmal sehen, „wie man die bestehenden Städtepartnerschaften sortiert bekommt“, sagt Breuer, der erst die bereits angestoßene Partnerschaft mit Leuven/Löwen in Belgien weiterentwickeln will. „Da besteht ein Anbahnungsverhältnis“, sagt Breuer, der das Anliegen der jüdischen Mitbürger später aufgreifen will.

Auf Hilfe baut die Gemeinde auch bei dem Vorhaben, 2018 — zum zweiten Mal nach 1988 — Holocaustüberlebende aus Neuss beziehungsweise deren Nachfahren einzuladen. Römgens: „Der Erfolg hängt vom Engagement der Stadt ab.“