Pfarrer bestohlen: 22 Monate Haft

Der 21-jährige Äthiopier hat eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich.

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Neuss. Mit knapp zwei Jahren Jugendstrafe ohne Bewährung ist am Amtsgericht der Prozess gegen das 21 Jahre alte Adoptivkind einer Großfamilie aus der Eifel zu Ende gegangen. Der gebürtige Äthiopier hatte zwei Neusser Pfarrer mehrfach bestohlen und war wegen Diebstahls angeklagt. Hinter der Tat verbirgt sich eine beklemmende Lebensgeschichte.

Der junge Mann war in Addis Abeba (Äthiopien) in großer Hungersnot aufgewachsen. Dort traf er auf eine Frau aus Euskirchen. Die Tochter eines reichen Industriellen aus Düsseldorf adoptierte den Jungen — so wie 31 weitere Kinder aus armen Ländern in Afrika oder Südamerika. Mit ihrem Mann zog die Lehrerin die Kinder in der Eifel groß. Die vielen Adoptionen sorgten bundesweit für Schlagzeilen.

Die Integration des Angeklagten misslang jedoch. Im Alter von 13 Jahren musste der Junge in ein Heim, später wohnte er abwechselnd bei seiner Schwester oder einer Tante, die ebenfalls adoptiert worden waren. Vor sechs Jahren kam er zum ersten Mal mit dem Gesetz in Konflikt. Neben Einbrüchen gab es Raubüberfälle, knapp 100 Mal wurde er als Schwarzfahrer erwischt, fast vier Jahre lang saß der junge Mann im Jugendgefängnis. Erst im Sommer 2016 war er aus der Haft entlassen worden.

Die nächsten Probleme ließen aber nicht lange auf sich warten. „Er ist spielsüchtig“, erklärte sein Rechtsanwalt vor Gericht. In Köln soll er einer Seelsorgerin das Portemonnaie gestohlen haben. Auch in Neuss wurden zwei Geistliche Opfer des jungen Mannes. „Das war Ende März, da hat er morgens an meiner Tür um etwas zu essen gebeten“, erinnerte sich Pastor Michael Nienaber gestern vor Gericht. Anschließend, so dachte der Geistliche im Ruhestand, habe der Angeklagte die Wohnung wieder verlassen. Plötzlich habe er ihn im Halbschlaf jedoch wieder bemerkt. „Ich hatte geschlafen wie ein Murmeltier, da stand er plötzlich vor mir“, so Nienaber, „er meinte, die Putzfrau hätte ihn herein gelassen.“ Kurze Zeit später bemerkte er, dass der Angeklagte ihn bestohlen hatte. Wertvolle Münzen fehlten ebenso wie Geld aus Nienabers Portemonnaie.

Eine Woche später tauchte der Afrikaner dann wieder am Marienkirchplatz auf. Er trat die Tür zum Pfarrbüro auf, konnte aber von Pfarrer Wilfried Korfmacher gestellt werden. Als die Polizei eintraf, war der 21-Jährige aber schon über alle Berge. Wenige Tage später konnte er dann aber dingfest gemacht werden. Erneut hatte er die beiden Pfarrer am Marienkirchplatz um Essen gebeten. Bei dieser Gelegenheit verständigten sie wieder die Polizei, diesmal erschienen die Beamten rechtzeitig. Vor Gericht entschuldigte sich der Mann bei den Geistlichen. Die Beute ist bis heute verschwunden.