„Knuutsch“ wird bekehrt

Das Stunk-Ensemble packt in der Wetthalle viele heiße Eisen an und wird mit stürmischem Applaus belohnt.

Neuss. Sie sagen es gleich zu Beginn: Mit dem Thema Integration wollen die Stunker diesmal ein ganz heißes Eisen anpacken. Denn es gibt Menschen, die verschließen sich dem Karneval, fremdeln und wollen keine Pappnase aufsetzen. Karnevalsverweigerer „Knuutsch“ gilt es, zu bekehren und für Kamelle und Co. zu begeistern. „Ausreden gibt es nicht, also rein ins Funkemariechen-Kostüm!“, lautet das Credo.

Zum 17. Mal feierte das Stunk-Ensemble vom Theater am Schlachthof als die „Wikileaks unter den Karnevalsshows“ in der Wetthalle Premiere und bot einen ebenso lockeren wie bösen Rundumschlag gegen die wunden Stellen von Neuss und den Rest der Welt.

Das Ensemble bricht das Eis mit sanftem Spott über den Ausbau der Umgehungsstraße bei Schlicherum, dort wo sich selbst Kühe für Schlicherum 21 anketten.

Ilva Melchior und Harry Heib moderieren die Sitzung professionell (inklusive zahlreicher Kostümwechsel): Sie verspritzen nicht nur gezielt das Gift in Richtung Politik, sondern beherrschen auch Tricks im Umgang mit dem Publikum.

Vergleichbar mit der RTL-Chart-Show lobt in einer 40er Jahre-TV-Sendung Karl Lagerfeld die braune Mode und Nina Hagen mag Männerkörper, die hart wie Riefenstahl sind. Bitterböse ist ein abgedroschenes Wort für das, was das Stunk-Team bietet: „Jetzt treten die Politiker alle zurück. Früher hat man das ausgesessen und ist gleich in die Badewanne gegangen oder Fallschirm gesprungen.“

Zu den besten Nummern gehört eindeutig die Kammer des Schreckens: Harry Pofalla, Hermine Gröhe und Lord Westerwelle finden sich in der FDP-Zentrale wieder. Und dann tauchen auch noch Ron Röttgen und Angie Potter auf.

Auf Stuttgart 21 folgt Neuss 22: „Wir als CDU-Ratsherren protestieren gegen uns selbst, sonst macht das ja keiner.“

Damit der Abend nicht zu politikschwer wird, lockern immer wieder einfache Nummern das Programm auf. Den meisten Applaus streichen dabei wie gehabt Sabine Wiegand als „Dat Rosi“und der „Alleinunterhalter Heinz“ (Harry Heib) ein, der mit seiner ersten Version von „Satellite“ auch Lena inspirierte.

Der Abend ist aber auch gespickt mit kreativen Wortspielen. So statten Argus und Auge vom Neusser Ordnungsamt dem Teufel (Jens Kipper) einen kleinen Besuch ab. Zwar geraten die beiden in Teufelsküche, schließen dann aber das Etablissement: Das Höllenfeuer verfügt über keine Feinstaubplakette.

Das Erfrischende an dieser Auflage ist immer wieder der permanente Wechsel zwischen amüsanten Sketchen wie „Nachts im Schützenmuseum“ und präziser Schelte wie etwa bei Lutz, der Messdiener, der mit dem Priester Hoppereiter spielt.

Mittendrin taucht freilich stets der mürrische Supermarkt-Filialleiter Michael „Knuutsch“ Knutschinsky (Jens Kipper) auf, der schließlich doch noch Spaß am Karneval findet und sich ein Polonaise-App herunterlädt — und schon ist er ein Immi.