Kreis Neuss: Möhne trotzen Eiseskälte

Altweiber: Die Närrinnen sind los im Rhein-Kreis Neuss. Die Bürgermeister protestierten tapfer, jedoch ohne Erfolg.

Rhein-Kreis Neuss. Unter lauten Helau- und Alaafrufen haben die Narren die Rathäuser gestürmt. Ungeachtet der eisigen Kälte rissen die jecken Wiever die Macht mit klammen Fingern und roten Ohren an sich. Während es in Dormagen verspätet losging und in Kaarst ein Geheimnis gelüftet wurde, gaben sich in Grevenbroich Engelchen und Teufelchen ein Stelldichein.

In Kaarst gibt Hans-Ulrich Böhme sein Bestes. Der Leiter der Abteilung Finanzen hatte sich - in Vertretung des erkrankten Kämmerers Heinz Dieter Vogt - Boxhandschuhe angezogen und droht den Möhne mit der Faust. Es nützt nichts. Als er sich zu guter Letzt auf die Stadtkasse in Form einer Schatztruhe setzt, wird sie ihm unter dem Allerwertesten weggezogen. Bürgermeister Franz-Josef Moormann hat zu dieser Zeit schon längst den Stadtschlüssel eingebüßt und sich der Masse ergeben. Auf der Bühne stimmt er, vielleicht ein bisschen schief, aber mit viel Herzblut, das Kaarster Altweiberlied an. Zuvor hat er draußen den karnevalistischen Nachwuchs begrüßt und zur Freude der Kinder ordentlich Kamelle geworfen.

Während die Möhne ihre Machtübernahme lautstark feiern, macht sich bei Ulla Bussmann Wehmut bemerkbar. Über 20 Jahre stand sie an vorderster Front bei der Erstürmung des Rathauses. "Ich war immer die Alte, aber in diesem Jahr wollte ich mal nicht", sagt sie und weiß schon gar nicht mehr, warum. "Die sind ja viel zu brav", urteilt sie, als ihre früheren Mitstreiterinnen das Rathaus stürmen. "Nächstes Jahr bin ich wieder dabei", meint sie.

Nachgefragt, wie man sich bei dem kalten Wetter warm hält, antworten Susanne, Alexa und Susi unisono: "Bewegen und trinken. Also Kakao und heißen Tee natürlich." Und sie verraten noch etwas: "Nächstes Jahr feiern wir elfjähriges Jubiläum. Dann gibt es auch das erste Kaarster Prinzenpaar." Nur um wen es sich dabei handelt, das behalten sie für sich.

In Dormagen lässt man sich nicht aus der Ruhe bringen - auch zu Karneval nicht. Und so trinkt Prinz Rolli I. um 11.11Uhr noch in aller Seelenruhe ein Bierchen im Rathaus, während die jecke Meute draußen bei Minusgraden schunkelnd auf die Schlüsselübergabe wartet. Immerhin werden sie von der Mundartband "De Altreucher" gut unterhalten.

Um 11.14Uhr ist es dann soweit: De Prinz kütt, quetscht sich samt Gefolge auf den Balkon, und die Dormagener jubeln und feiern. Bürgermeister Peter-Olaf Hoffmann stellt klar: "Michelle, die Schöne, die Jungfrau, ruft stets Alaaf und niemals Helau!" Die Möhne gröhlen, und schon wendet sich Prinz Rolli I. mit einer Bütten- beziehungsweise Balkonrede zum Narrenvolk und spricht auch die Krisenzeiten an, die nicht für jeden leicht seien.

Doch noch ehe die Jecken zu nachdenklich werden, wird endlich der lang herbeigesehnte Schlüssel übergeben und von Rolli I. wie ein Pokal triumphierend hoch gehalten. Der Bürgermeister gibt sich geschlagen: "Nun gehört das Rathaus den Narren", verkündet Peter-Olaf Hoffmann.

Und während die meisten Jecken in mehrschichtige Kostüme gepackt sind, trotzen die Tanzgarden in gewohnt luftigen Röckchen dem Frost und tanzen sich warm. Wie sie das aushalten? "Gar nicht. Na ja wir machen uns gute Laune", sagt Romina Torchalla von der KG Ahl Dormagener Jungen, und die anderen Mädchen nicken zustimmend.

Der guten Stimmung wegen sind schließlich die meisten gekommen: "Ich kenne einfach viele Menschen hier, und denen begegnet man an solchen Tagen, das macht einfach Spaß", findet Christiana Kemmerling: "Das ist eine Art Familiengefühl."

Der Himmel liegt im Herzen von Grevenbroich. Jedenfalls an Altweiber, als sich das Alte Rathaus mit vielen Teufeln und einem Engelchen - Bürgermeisterin Ursula Kwasny - bevölkert. Draußen vor der Tür warteten die Jecken mit einem Ziel: Das Engelchen "nach 111 Tagen im Amt" aus dem Rathaus zu vertreiben, wie Reiner Landsch vom Karnevalsverein "Grielächer" ankündigt.

Bis zum Aschermittwoch übernimmt Prinz Josef IV. mit Prinzessin Waltraud II. Schaffrath die närrische Herrschaft in Grevenbroich. "Unsere Vaterstadt wird in dieser Zeit blühen und gedeihen", verspricht Seine Tollität - gefeiert von fast hundert Möhnen und anderen Jecken, die sich trotz Minusgraden auf dem Marktplatz versammelt haben. Viele haben sich in wetterfeste Flauschkostüme gewickelt und schunkeln sich warm. Oder folgen dem Tipp von Reiner Landsch: "Kommen Sie doch ein bisschen näher, da hinten friert man doch!"

Nicht vom Wetter beeindrucken lassen sich die Künstler auf der Bühne. Neben einem Fanfarenkorps heizen Sänger Franz Gallo und Hildegard Clemens ein. Mit dabei ist auch die Tanzgarde der KG Rot-Weiß Kläävbotze, allen voran Solo-Mariechen Jacqueline Rausch sowie die Tanzgruppe Rot-Weiß Gustorf-Gindorf.

Ein Grielächer ist übrigens jemand, der "über jeden Sch... lachen kann und bis zuletzt durchhält", erläutern die Jecken ihren Namen. Beste Voraussetzungen für den Start in die tollen Tage.