„Legal Highs“ verbreiten sich rasant
Die psychoaktiven Substanzen werden als Badesalze und Kräutermischung verkauft.
Neuss. Der Konsum synthetischer Drogen nimmt auch in Neuss deutlich zu. „2010 wurden in Europa 40 psychoaktive Substanzen gefunden, 2014 waren es über 100“, sagt Johann Endres, leitender Arzt der Suchtabteilung des St.-Alexius-/St.- Josef-Krankenhaus. Auch unter seinen Patienten, meist Schwerstabhängige, gebe es immer mehr, die diese neuen psychoaktiven Drogen nehmen. Bei einem Schnelltest im Januar kam heraus, dass 22 von 50 Drogenabhängiggen die mittlerweile illegale Kräutermischung „Spice“ konsumiert hatten.
„Alkohol, Heroin und Kokain beschäftigen uns am meisten, aber Chrystal Meth, Amphetamine und die sogenannten Legal Highs weisen wir immer häufiger nach“, sagt Endres.
„AK-47“ oder „Psycho Joker“ lauten die Namen auf den knallig bunten, mit Comicbildern verzierten Tütchen. Laut Aufdruck beinhalten sie Badesalze oder Kräutermischungen und sind im Internet für ein paar Euro zu bekommen. Doch das vermeintliche Badesalz gelangt nie ins warme Wasser, stattdessen wird es geschnieft, geschluckt oder geraucht — es handelt sich in Wahrheit um psychoaktive Substanzen aus dem Chemielabor, die starke Rauschzustände herbeiführen können. Da sie einen legalen Drogentrip versprechen, werden sie auch „Legal Highs“ genannt.
Endres warnt: „Chrystal Meth und synthetische Cathinone, sogenannte Badesalze, können zu heftigen Aggressionsschüben und Psychosen führen.“
Diesen Eindruck bestätigt auch Norbert Bläsing von der Jugend- und Drogenberatung der Stadt. „Die Zahl der Konsumenten synthetischer Drogen in unserer Beratung wächst zwar nicht dramatisch, aber es gibt eine wesentlich größere Dunkelziffer“, sagt der Leiter der Drogenberatung. Im vergangenen Jahr wurde 64 von solchen Stimulanzien Abhängigen geholfen. Das waren 14 Prozent aller intensiv Betreuten.
Bläsing spricht in seinem Jahresbericht, den er heute im Jugendhilfeausschuss vorstellen wird, von einer neuen Sorte Abhängiger. „Das sind Menschen, die nicht als Konsumenten erkennbar sind“, sagt Bläsing. Sie seien jung (unter 30), gut ausgebildet und berufstätig, sozial integriert, leistungs- und erfolgsorientiert. Die tauchten aber in der Beratung selten auf. „Ich frage mich, ob das analoge Beratungsgespräch noch als Antwort auf die Anliegen junger, im Alltag digital kommunizierender Menschen mit Drogenproblemen ausreicht“, sagt Norbert Bläsing. „Wir werden in diesem Jahr unser Online-Angebot überarbeiten. Klienten müssen, wenn sie den Bedarf identifizieren, besser den Weg zu uns finden.“
Im Unterschied zu den Konsumenten synthetischer Drogen nehmen „klassische“ Drogensüchtige verstärkt die Hilfe der Drogenberatung in Anspruch. Die Zahl der intensiv betreuten Heroinsüchtigen wuchs von 217 auf 245. Grund sei aber nicht eine stärkere Verbreitung des Rauschgiftes. Die Zahl steigt, weil Süchtige das Beratungsangebot stärker wahrnehmen. Dafür spricht auch der rasante Anstieg der in der Beratungsstelle ausgegebenen Spritzen. Insgesamt wurden 11361 Spritzen an intravenös konsumierende Drogenabhängige gegeben, fast doppelt so viele wie noch im Jahr 2013.