Neuss gedenkt der Opfer von Hanau Festzug beginnt mit Schweigeminute

Neuss. · Die Erschütterung über die Bluttat treibt die Neusser um. 400 von ihnen hielten am Freitag eine Mahnwache vor dem Rathaus ab.

Bürgermeister Reiner Breuer sprach bei einer Mahnwache für die Opfer von Hanau vor gut 400 Menschen.

Foto: Andreas Woitschützke

Der Karnevalsumzug am Kappessonntag wird zum ersten Mal in seiner Geschichte mit einer Schweigeminute beginnen. Punkt 13.11 Uhr soll die Narrenschar innehalten und der Opfer des Terroranschlags von Hanau gedenken. Das beschloss am Freitag der Karnevalsausschuss, dessen Präsident Jakob Beyen am Nachmittag bei der letzten Besprechung Wagenbauer und Zugleitung entsprechend instruierte. Man wolle ein Zeichen setzen, sagte Beyen, der aber von Transparenten oder Trauerflor im Umzug Abstand nahm. „Wir fokussieren uns auf die Kampagne ,Jeck mit Respekt´“, sagte Beyen zur Erklärung. Auch die Ziele auf ein friedliches Miteinander und die Achtung der Würde des Anderen ab.

Die zweite Mahnwache in Neuss innerhalb weniger Monate

Die Erschütterung über die Bluttat von Hanau, bei der ein Mann aus dem rechtsradikalen Milieu am Mittwoch zehn Menschen und am Ende auch sich selbst erschossen hatte, wirkte auch am Freitag in der Stadtgesellschaft nach. Schon in der Frühmesse hatte Monsignore Guido Assmann daran erinnert, wie schnell uns Menschen in der Freude des Karnevals auch das Leid begegnen kann. Er forderte ebenso wie Pfarrer Sebastian Appelfeller vom Verband der evangelischen Kirchengemeinden seine Amtsbrüder auf, die Toten von Hanau in das Fürbittgebet der Sonntagsgottesdienste aufzunehmen.

Nach der Schweigeminute nimmt der Kappessonntagszug seinen traditionellen Verlauf.

Foto: Küfen, Wilfried

Öffentlich dokumentierten fast 400 Neusser ihre Trauer und Anteilnahme mit einer Mahnwache vor dem Rathaus, zu der am Freitagabend der Verein „Raum der Kulturen“ eingeladen hatte. Es war die zweite Mahnwache innerhalb weniger Monate, erinnerte der Vereinsvorsitzende Hamdi Berdid. Seine Überzeugung: „Unsere Gesellschaft hat ein Problem. Ein Problem, das Rassismus heißt“. Berdid beklagte, dass seit Jahren über Muslime und Einwanderung nur unter negativen Vorzeichen gesprochen wird. Dieser Diskurs habe es ermöglicht, „dass sich immer mehr Unsagbares in unser alltägliches Leben eingeschlichen hat“ und so Menschen, die Teil unserer Gesellschaft sind, zu Fremden gemacht worden seien. An Gesellschaft, Politik und Sicherheitsbehörden richtete er die Bitte und die Forderung: „Menschen, die von Rassismus, Diskriminierung und rassistischer Gewalt betroffen sind, müssen das Gefühl haben, dass dieses Land und diese Verfassung ihnen Schutz bieten.“ Diesen Gedanken griff Bürgermeister Reiner Breuer auf, der zur Solidarität mit allen Migranten aufrief. „Wir stehen hinter unseren Mitbürgern, egal, woher sie kommen“, sagte Breuer: „Keine Verharmlosung mehr. Wir dürfen nicht tatenlos bleiben.“

Bei Mahnwache und Schweigeminute soll es nicht bleiben. Das sieht auch Ozan Erdogan so, der Vorsitzende des Integrationsrates. Er betont die Notwendigkeit, den interkulturellen Diskurs zu intensivieren. Das unterstützt auch Pfarrer Dirk Thamm, der in der evangelischen Kirche den christlich-islamischen Dialog initiiert hat. „Unser kleines zartes Pflänzchen ist einfach notwendig“, sagt Thamm. Seinen Mitstreitern schrieb er: „Es tut mir in der Seele weh, dass manche von euch nun noch mehr Sorgen haben“.

Erdogan kündigte ferner für Samstag, 29. Februar, einen Demonstrationszug an, der um 11 Uhr am Marienkirchplatz startet und in einer Kundgebung am Platz vor dem Romaneum enden soll. Schon am Tag vorher kommt der Integrationsrat ab 15 Uhr zu einer Sondersitzung zusammen. Der Anlass dazu ist durchaus auch „lokal“. Denn es ist noch keine zwei Wochen her, da störte ein Unbekannter den Integrations-Cup der Aleviten-Gemeinde, ein zum vierten Mal ausgetragenes internationales Hallenfußballturnier – durch rassistische Pöbeleien.