Neuss: Ringelnatz-Bild zurückgefordert

Restituierung: Werk stammt aus Besitz des jüdischen Kunstsammlers Paul Westheim.

Neuss. Das Schreiben erreichte die Stadt im Sommer 2008. Die Erben des bekannten jüdischen Kunstkritikers und Sammlers Paul Westheim forderten die Rückgabe eines Bildes aus dem Bestand des Clemens-Sels-Museums. In nicht-öffentlicher Sitzung hat der Kulturausschuss jetzt entsprechend des Verwaltungsvorschlags entschieden: Die Beratende Kommission der Bundesregierung für Fragen der Restitution wird um eine Empfehlung gebeten. Der will man sich anschließen.

Der Forderung auf Rückgabe liegt eine ebenso abenteuerliche wie bedrückende Vorgeschichte zugrunde. Der Kunstkritiker, Experte und Sammler expressionistischer Werke wurde früh von den Nationalsozialisten als "Kulturbolschewist" verfolgt. Er flüchtete nach Frankreich, seine umfangreiche Sammlung vertraute er der befreundeten Charlotte Weidler, ebenfalls einer Expressionismus-Expertin, an. Westheim wurde in Frankreich nach Kriegsausbruch inhaftiert und in fünf Internierungslagern festgehalten; er nannte das seine "Tour de France". 1941 gelang ihm die Flucht nach Mexiko, hier heiratete er 1959.

Nach Kriegsende versuchte der Kunstfreund, seine Sammlung zurückzuerhalten. Doch Charlotte Weidler, die in den 30er Jahren den Nachforschungen der Gestapo widerstanden und während des Krieges einige Werke für ihren Freund verkauft hatte, brach jeden Kontakt ab. 1963 starb Westheim. Danach begann seine frühere Freundin, die die Kunstwerke hatte nach New York ausführen können, Gemälde gezielt zu verkaufen. Die Witwe Westheims starb 2004 im Alter von 106 Jahren; auch ihre Bemühungen um Rückgabe der Bilder waren erfolglos geblieben.

Aus der Sammlung Westheim stammt auch das jetzt zurückgeforderte Bild. Es ist ein Werk des Dichters Joachim Ringelnatz mit dem Titel "Dachgarten der Irrsinnigen", ein makaber-obszönes Werk aus dem Jahr 1925. Charlotte Weidler hatte es im Jahr 1972 an die renommierte Düsseldorfer Galerie Vömel verkauft, dort kaufte es im selben Jahr noch Irmgard Feldhaus, Direktorin des Clemens-Sels-Museums. Gezeigt wurde das Werk fast nie, es hat seinen Platz im Magazin.

"Alle haben in dieser Angelegenheit korrekt gehandelt, bis auf Frau Weidler natürlich", sagt Kulturdezernentin Christiane Zangs, die sich wegen des schwebenden Verfahrens mit Wertungen zurückhält. Sie setzt in der "delikaten und schwierigen Angelegenheit" ganz auf die Empfehlung des Berliner Kommission. Dem Votum wolle sich nicht nur die Stadt, sondern auch die Erbin anschließen.