Neuss: Volksinitiative - Komplizierte Demokratie

Bürgermeister begrüßt Vorstoß zum „Kumulieren und Panaschieren“.

Neuss. Die Kritik ist nicht neu. Lange vor den Wahlen entscheiden die Parteien durch die Platzierung der Kandidaten auf den Listen, wer überhaupt eine Chance hat, in die Parlamente gewählt zu werden. Das gilt auch für den Stadtrat. Jetzt sammelt der Verein "Mehr Demokratie" Unterschriften, um eine Volksinitiative zur Änderung des Kommunalwahlrechtes in Gang zu bringen. Gestern stellte sich der Neusser Vertreter Michael Roos bei Bürgermeister Herbert Napp vor.

Auch mit Hilfe von Neusser Unterschriften wollen die Initiatoren das Land zwingen, das Kumulieren (häufen) und Panaschieren (mischen) ins Wahlrecht aufzunehmen. Die Zahl der Stimmen je Wähler richtet sich dann nach der Anzahl der Ratssitze. Diese Stimmen kann der Wähler auf die Kandidaten aufteilen und einzelnen Politikern eine Vielzahl von Stimmen geben. Damit erhalten auch Kandidaten auf hinteren Listenplätzen eine Chance.

Im Landtag gibt es für dieses System keine Mehrheit. Weder hat die CDU/FDP-Regierungskoalition eine solche Änderung in den Entwurf der neuen Gemeindeordnung aufgenommen, noch hat die SPD dies verlangt. Nur die grünen sind dafür.

Der Neusser SPD-Vorsitzende Benno Jakubassa stellt sich gegen seine Landespartei. "Ich bin schon seit Jahrzehnten dafür", erklärt er. Damit falle die "Hinterzimmertrickserei" weg. Es sei nicht richtig, dass der Wähler als Souverän über fast die Hälfte der Abgeordneten nicht direkt entscheiden könne. "Selbstverständlich" werde er den Aufruf für eine Volksinitiative unterschreiben.

Zurückhaltend zeigt sich sein Parteichef-Kollege von der CDU, Jörg Geerlings. Er sieht höheren Verwaltungsaufwand, Zusatzkosten für die Kommunen, ein kompliziertes Wahlrecht. Vor allem aber: Das Kumulieren und Panaschieren begünstige bekannte Persönlichkeiten: "Quereinsteiger und Jüngere werden es schwer haben."

Bürgermeister Herbert Napp ("Das ist ein wahnsinnig spannendes Thema") empfing den Vertreter von "Mehr Demokratie" gestern äußerst aufgeräumt und erklärte, er befürworte eine solche Neuordnung des Wahlrechts uneingeschränkt. In Baden-Württemberg etwa funktioniere das "seit urdenklichen Zeiten hervorragend". Ein weiteres Absinken der Wahlbeteiligung befürchtet Napp nicht.

Die Initiative muss in NRW 66 000 Stimmen sammeln, damit sich der Landtag mit dem Thema beschäftigt. Dass das gelingen wird, glaubt Napp allerdings nicht. Er selbst unterschrieb gestern übrigens nicht. Das werde "auf dem üblichen Parteienweg" geregelt.