Neuss will mehr Hebammen in die Stadt locken
Viele Eltern finden keine Hebamme, die sie in der ersten Zeit nach der Geburt begleitet. Ärzte schlagen Alarm.
Neuss. Die Suche nach einer Hebamme gestaltet sich für junge Eltern in Neuss immer schwieriger. In den beiden Krankenhäusern mit Entbindungsstation — rund 2600 Babys kommen jedes Jahr im Lukas- und im Johanna-Etienne-Krankenhaus zur Welt — ist die Situation zwar gut. Das Problem ist jedoch die Nachsorge. Es mangelt an freiberuflichen beziehungsweise teilselbstständigen Hebammen.
Dominik García Pies, Leitender Arzt der Geburtshilfe am Lukaskrankenhaus, schlägt Alarm. Das Geburtshilfe-Team schätzt die Zahl der Mütter, die überhaupt noch eine Nachsorgehebamme haben, auf gerade mal 30 Prozent. „Eine Katastrophe“, sagt García Pies.
Gemeinsam mit Dr. Margret Albiez, Leitende Ärztin des Kreißsaals am „Etienne“, machte er im Jugendhilfeausschuss die Politik auf das Problem aufmerksam. Die Stadt soll nun eine Strategie entwickeln, wie Neuss für Hebammen attraktiver werden kann.
Wer mit einer Nachsorgehebamme planen möchte, muss sich am besten unmittelbar nach dem positiven Schwangerschaftstest auf die Suche begeben. Sonst könnte es eng werden. Zwar relativiert Albiez die Zahlen — sie schätzt die Zahl der Frauen, die mit einer Hebamme zur Nachsorge nach Hause gehen, „auf gefühlt 80 Prozent“. Dennoch gebe es einen Mangel und es bestehe Handlungsbedarf. Die Nachfrage sei weitaus größer als das Angebot.
Ralf Hörsken, Dezernent für Jugend und Soziales, will das Thema angehen. Mit entsprechenden Maßnahmen sollen mehr Hebammen in die Quirinus-Stadt gelockt werden.
Caroline Brünger vom Hebammen-Team des „Lukas“ hat einige Anregungen. „Das Berufsbild muss wieder attraktiver werden“, sagt sie. Die stark gestiegenen Versicherungsprämien für freiberufliche Hebammen seien keineswegs die einzige Ursache für den Engpass. Es müsse klare Signale geben, dass der Hebammenberuf zukunftsträchtig ist. Die Stadt könne attraktive Rahmenbedingungen schaffen. „Hebammen müssen sich ständig fortbilden und dafür teils weite Wege auf sich nehmen“, sagt Brünger: „Die Stadt könnte solche Fortbildungen vor Ort organisieren und für Hebammen kostenfrei anbieten.“
Zudem könnten Modelle entwickelt werden, um junge Hebammen an die Nachsorge heranzuführen. Auch eine zentrale Vermittlungsstelle könnte laut Brünger hilfreich sein. Und es gebe einen großen Bedarf an Beratung rund um die Freiberuflichkeit oder Teilselbstständigkeit.
Ohne weitere Hebammen bleiben die Kapazitäten begrenzt. „Zurzeit lehnt jede Hebamme täglich drei bis vier Anfragen von werdenden Müttern ab“, sagt Brünger.
Helge Wallmeier, stellvertretender Leiter des Jugendamtes, und seine Kollegen wollen die Anregungen auf Machbarkeit prüfen. „Wir müssen sehen, ob rechtliche Hindernisse bestehen oder wir — zum Beispiel mit Blick auf Fortbildungen — entsprechende Kooperationen eingehen können“, sagt er. Im Jugendhilfeausschuss kündigte Hörsken zudem an, ein „Neusser Modell“ erarbeiten zu wollen.