Orchestergraben wird zum größten Aufzug der Stadt

Wegen Sicherheitsauflagenmusste der Orchestergraben aufgegeben werden.

Neuss. In der Rubrik „Hätten Sie es gewusst?“ wäre das eine Schmetterfrage: Vor der Bühne in der Stadthalle ist: A: nur Parkett, B: ein Orchestergraben, oder C: ein Lastenaufzug? Richtig wäre — jede dieser möglichen Antworten. Allerdings würde Ralph Dymek einschränken, dass der Orchestergraben aus Sicherheitsgründen stillgelegt werden musste. „Aus dem Orchestergraben wurde der größte Zahnstangen-Aufzug in der Region“, sagt der Stadthallen-Verantwortliche bei Neuss-Marketing.

Mit Kantenlängen von 12,40 mal 3,80 Metern kommt der Lastenaufzug auf fast 50 Quadratmeter Nutzfläche. Das dürfte in der Tat ohne Beispiel sein. Auch die Traglast von fünf Tonnen liegt wohl im oberen Bereich dessen, was Aufzüge an Lasten befördern können. Aber dieser Aufzug wurde eben nicht als solcher konzipiert, sondern erst später dazu gemacht.

1961 wurde die Stadthalle an der Selikumer Straße mit der Zog-Zog-Versammlung eröffnet, nachdem in der Stadt schon seit 1954 in der „stadtväterlichen Saalbaukommission“ über den Bau einer Halle mit Platz für bis zu 2000 Menschen diskutiert worden war. Im Mai 1957 wurde der Bau beschlossen und ab Juli 1959 nach den Plänen des Architekten Toni Maier ausgeführt. Diese sahen allerdings noch keinen Orchestergraben vor. Die Halle sollte für „Versammlungs- und Sportzwecke“ geeignet sein — aber (noch) kein Musentempel.

Erst mit der Generalrenovierung im Jahr 1983, so erinnert sich Bühnenmeister Michael Rehaag, erhielt die Stadthalle einen Orchestergraben. Bis zu 1,80 Meter konnte das „Parkett“ vor der Bühne abgesenkt und der so entstandene Graben von der Seite her begangen werden. Ein Geländer trennte Saal und Graben. Diese Absicherung entspricht aber nicht mehr den Vorschriften.

Und weil der Orchestergraben keinen zweiten Fluchtweg hatte, schlossen feuerpolizeiliche Auflagen aus, ein Orchester „tiefer zu legen“. Als jetzt auch noch Forderungen laut wurden, die Bühnenkante ebenfalls mit einem Geländer sichern zu müssen, war der ohnehin selten genutzte Graben nicht mehr zu halten.

Trotzdem wird er vierteljährlich gewartet und alle zwei Jahre vom TüV überprüft. Denn der Graben von einst wird als Aufzug gebraucht. Zum Beispiel, wie Haustechniker Herbert Horst berichtet, um das Stuhllager unter der Bühne anzusteuern, oder um zum Autosalon Fahrzeuge auf die Bühne zu wuchten.

Denn der Graben kann auch so weit über Bodenniveau gehoben werden, dass er zur Vergrößerung der Bühne genutzt werden kann. Das passiert zum Beispiel bei der Zog-Zog-Versammlung, nach der die Techniker unter dem „Aufzug“ immer wieder etwas finden, was durch dessen Ritzen gerutscht ist. Mal die Gerte des Reiterchefs, in diesem Jahr aber das aktuelle Plakat.