NRW „Ich weiß, wovon ich rede“
Rhein-Kreis · Erst im Sommer 2019 trat Petra Schenke (57) bei den Grünen ein. Nun geht sie als Bundestagskandidatin ins Rennen – und setzt dabei voll auf den Faktor Lebenserfahrung. Worauf noch?
Neuss darf ausnahmsweise Mal in einem Atemzug mit Oxford, Florida und London genannt werden. Zumindest, wenn es um den Lebenslauf von Petra Schenke geht. Spricht man sie auf ihre internationalen Stationen in ihrer Laufbahn an, dann werden diese gerne mal in politische Munition umgewandelt: „Ich weiß also, wovon ich rede“, sagt sie selbstbewusst in Bezug auf ihre Lebenserfahrung. In Neuss, genauer gesagt in Reuschenberg, ist die 57-Jährige längst heimisch geworden – aber nie stehen geblieben. Erst im Jahr 2019 trat die gebürtige Freiburgerin bei den Grünen ein, wurde im November vergangenen Jahres Kreistagsabgeordnete sowie schulpolitische Sprecherin der Kreistagsfraktion und im Dezember 2020 zusätzlich Sprecherin des Kreisverbands. Geht es nach Petra Schenke, dann soll es in diesem Tempo weitergehen. Das nächste Ziel ist längst formuliert: Bei der Bundestagswahl am 26. September tritt sie für die Grünen als Kandidatin im Wahlkreis I (Neuss, Dormagen, Grevenbroich und Rommerskirchen) an. Als „B-Lösung“ – schließlich wurde die Mutter von zwei Kindern zur Nachrückerin, als Parteikollege Hans-Christian Markert seine Kandidatur hinwarf – fühlt sich Petra Schenke nicht. Und auch der Umstand, dass sie auf Platz 49 der Landesliste eher Außenseiterchancen haben dürfte, ist ihr zwar nicht verborgen geblieben – ihr gehe es jedoch darum, „für das Team zu kämpfen“ und die inhaltlichen Themen voran zu bringen. Allen voran die Mobilitätswende und die Gestaltung des Strukturwandels mit vollem Fokus auf erneuerbare Energien.
Themen, auf die sie auch an diesem sonnigen Vormittag immer wieder angesprochen wird. Am Wahlstand der Grünen in der Neusser Innenstadt gibt es zwar kostenlose Bio-Äpfel abzugreifen, doch einige Bürger bleiben auch stehen, um etwas loszuwerden. Zwei Abiturientinnen zum Beispiel, die sich eine bessere Busverbindung nach Grefrath wünschen, das zeitweise „wie von der Außenwelt abgeschnitten“ sei. Doch so konstruktiv und zielorientiert ist es nicht immer. Was Petra Schenke nicht verschweigt: Eine inhaltliche Diskussion sei mit manchen Gästen am Wahlstand nicht möglich. „Sie haben ihren Standpunkt und lassen sich auch nicht vom Gegenteil überzeugen“, sagt sie. Einer der häufigsten Vorwürfe am Grünen-Stand laute: „Mit euch wird alles teurer!“
Und in Bezug auf die Selbstvermarktung wird durchaus ein aktuell grundlegendes Problem der Grünen deutlich, wenn Schenke betont: „Manche stimmen 80 Prozent unseres Wahlprogramms zu, wählen uns aber trotzdem nicht, weil ihnen eine bestimmte Aussage von jemandem aus unserer Partei nicht gefallen hat.“ Überraschend: Auch die sich immer weiter verschärfende Klima-Krise und zunehmende Umweltkatastrophen wie zuletzt in der Eifel brächten den Grünen keine zusätzliche Zustimmung ein. Eine Erklärung dafür zu finden, fällt auch Schenke schwer.
Die findet die gelernte Keramikerin und Diplom-Betriebswirtin allerdings in anderen Themengebieten; wird zum Beispiel nicht müde zu betonen, wie wichtig es sei, möglichst schnell den Weg aus der Kohleverstromung zu finden. Fakt sei: „Wenn wir zu 100 Prozent erneuerbare Energie hätten, würden wir massiv Geld sparen.“ Nach Vorstellung der Grünen sollen die erneuerbaren Energien als zwingend für die Versorgungssicherheit definiert und dafür zwei Prozent der Fläche bundesweit genutzt werden. Bei der Entwicklung der nötigen Technologien, auch mit Blick auf die Mammutaufgabe Strukturwandel, lohne sich der Blick auf die internationalen Mitstreiter: „Wir können uns entscheiden, ob wir die Entwicklung mitnehmen, die nötigen Maschinen bauen und dadurch Arbeitsplätze schaffen – oder ob wir das China und den USA überlassen“, sagt sie. Ihr Farben-Wortspiel „mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben“ spiegele sich auch im Rhein-Kreis Neuss wider – etwa bei den Neuss-Düsseldorfer Häfen. So sei bei einem jüngsten Treffen vor Ort gemeinsam mit dem Arbeitskreis Wirtschaft große Innovations-Bereitschaft signalisiert worden, auf neue Technologien zu setzen. Dies passe exakt ins Bild der Grünen, mehr Güter auf Schienen und Schiffe zu bringen.
Mit einer besonderen Technologie beschäftigt sich Petra Schenke auch beruflich, sie arbeitet nämlich als „Fruchtbarkeitsberaterin“. Genauer gesagt hat sie die Vertriebsrechte für ein Gerät, das Frauen anzeigt – durch die Eingabe verschiedener Daten – ob sie fruchtbar sind oder nicht. Die Bundestagskandidatin der Grünen ist mit ihrer Firma für den französischen Markt zuständig. Und mit dem Thema „Fruchtbarkeit“ schlage sie schließlich auch einen Bogen zu einem Kernthema der Grünen, wie Schenke schmunzelnd sagt: der Landwirtschaft!