Phillip Parusel geht in Berufung
Der verwarnte Musiklehrer findet den Spruch des Amtsgerichts „nicht nachvollziehbar“.
Kaarst. Das Schreiben ist raus. Gestern Nachmittag ist die Berufungsschrift im Verfahren des wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung angeklagten Kaarster Realschullehrers Phillip Parusel in die Post gegangen. Das bestätigten Parusel und sein Verteidiger, der Duisburger Anwalt Andreas Vorster. „Mit der Quasi-Verurteilung wegen Freiheitsberaubung kann ich mich nicht zufriedengeben“, sagte Parusel. „Auch war die Urteilsbegründung des Richters an einigen Punkten für mich nicht nachvollziehbar, zumal nicht mit dem Schulrecht argumentiert wurde.“
Der Fall, der für bundesweites Aufsehen gesorgt hatte, war am vergangenen Mittwoch mit dem Urteilsspruch vor dem Neusser Amtsgericht vorläufig zu Ende gegangen. Richter Heiner Cöllen hatte zwar dem Vorwurf der Körperverletzung nicht stattgegeben, den Pädagogen allerdings wegen der Freiheitsberaubung verwarnt — mit der Auflage, an einer Fortbildungsmaßnahme zum richtigen Umgang mit schwierigen Schülern teilzunehmen. Doch offenbar wollen Parusel und sein Anwalt nun gegen den Spruch vorgehen. „Das ,Strafmaß’ bewegt sich in einem fairen Rahmen“, begründet Parusel das, „aber dass es sich um ein Strafmaß handelt, stört mich ungeheuerlich.“
Anwalt Andreas Vorster hält das Urteil für „extrem angreifbar: Das kann nicht so stehenbleiben“, sagt der Jurist und weist auf die Signalwirkung hin: „Das geht über den Einzelfall weit hinaus.“ Das führt auch Parusel an: „Jeder Lehrer-Kollege ist nun absolut verunsichert, wie er mit dieser alltäglichen Situation umgehen soll, wenn Schüler den Unterricht verlassen wollen, bevor eine Aufgabe erledigt ist“, schildert er, welche Folgen sich aus seiner Sicht aus dem Urteil ergeben. „Ich muss ja auch damit rechnen, dass ein Schüler versuchen möchte, dieses Urteil gegen mich zu verwenden“, führt er an.
Parusel musste sich seit Anfang des Monats vor Gericht verantworten, weil gegen ihn eine Anzeige wegen Freiheitsberaubung und Körperverletzung vorlag. Im April 2015 hatte er den Schülern einer sechsten Klasse der Realschule an der Halestraße in der Musikstunde eine Strafarbeit aufgegeben, weil sie den Unterricht seiner Meinung nach nachhaltig gestört hatten. Der Lehrer hatte sich dann mit einer Gitarre vor die Tür gesetzt und die Schüler auch nach Ende der Unterrichtsstunde erst aus dem Klassenraum gehen lassen, wenn sie die fertige Strafarbeit vorlegen konnten. Daraufhin hatten Schüler per Handy die Polizei verständigt, die dann auch kurze Zeit später mit drei Einsatzkräften erschien. Nach dem Urteilsspruch am Mittwoch hatte sich Parusel vor allem erleichtert gezeigt, dass der Vorwurf der Körperverletzung — ein Schüler hatte angegeben, von ihm in den Magen geboxt worden zu sein — fallengelassen wurde.