Post kam nicht an — jetzt droht Haft

Pensionär bekam offenbar Bescheid der Stadt nicht. Dafür will er keine 28,50 Euro Gebühr zahlen. Gericht droht Erzwingungshaft an.

Foto: Dieter Staniek

Grevenbroich. Die Möglichkeit, in der Tempo-30-Zone an der Rheydter Straße geblitzt zu werden, ist groß: Das musste kürzlich auch ein Kriminalhauptkommissar a.D. feststellen. „Ich hätte das Knöllchen natürlich sofort bezahlt, wenn ich es bekommen hätte“, sagt Karl-Heinrich Bühlbecker aus Jüchen-Gierath. Doch nun „zitierte“ ihn die Stadt Grevenbroich sogar vors Gericht, obwohl Bühlbecker die 25 Euro, die ihm als Bußgeld wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung auferlegt worden waren, nachweislich überwiesen hat.

Das Amtsgericht Grevenbroich droht ihm sogar Erzwingungshaft an, wenn er die Verwaltungskosten in Höhe von 28,50 Euro, die durch Nichtzustellung eines Privatzustellers entstanden sind, weiternicht zahlt. Das Gericht hat den Widerspruch des 77-Jährigen zurückgewiesen: Die Verfahrenskosten seien von der Stadt zu Recht erhoben worden, denn sie seien, wie das Bußgeld selbst, „ein Kostenrisiko als Folge des ordnungswidrigen Verhaltens“ von Karl-Heinrich Bühlbecker. Diese Entscheidung sei nicht anfechtbar, wird ihm mitgeteilt. Doch der pensionierte Gesetzeshüter sieht nicht ein, dass er für Fehler des Zustellers belangt werden soll. „Ich prüfe jetzt weitere juristische Schritte“, kündigt er an.

Angefangen hatte es damit, dass die Stadt über den privaten Briefzusteller zweimal vergeblich versuchte, den Bußgeldbescheid in Jüchen-Gierath zuzustellen. Doch die Briefe seien als „nicht zustellbar“ zurückgekommen, hatte Bühlbecker in einem Gespräch mit der Bußgeldstelle erfahren. Dort hatte sich der Ex-Polizist gemeldet, nachdem er aus einer amtlichen Zustellung — diesmal mit der Deutschen Post — erfahren hatte, dass die Stadt sozusagen nach ihm gefahndet hatte. Die 25 Euro Bußgeld habe er sofort überwiesen, nicht aber die zusätzliche Gebühr von 28,50 Euro. Das hat Bühlbecker der Stadt schriftlich mitgeteilt.

Er schrieb unter anderem an die Bußgeldstelle: „Ich bin bereit, die 25 Euro Verwarngeld zu begleichen, und werde dies auch umgehend tun. Die Differenz von 28,50 Euro fordern Sie bitte bei dem von Ihnen mit der Zustellung beauftragten Unternehmen ein, da der Fehler nachweislich dort zu suchen ist. Es ist empörend, dass ich für Ihre, beziehungsweise die Fehler der von Ihnen beauftragten Firma einstehen soll“, so Bühlbecker.

Doch was dann kam, machte den Kriminalhauptkommissar a.D. fast sprachlos. Die Stadt ging nicht auf seine Argumente ein, sondern teilte ihm mit: „Aufgrund Ihres Antrages auf gerichtliche Entscheidung wird die Akte gemäß § 62,69 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten an das Amtsgericht Grevenbroich abgegeben.“ Bühlbecker versteht das nicht: „Ich habe das Verwarngeld gezahlt und ganz bestimmt keinen Antrag gestellt, meinen Fall ans Gericht zu verweisen. Es ist doch nicht mein Fehler, dass sich die Stadt, vielleicht um Geld zu sparen, eines privaten, aber offensichtlich nicht so zuverlässigen Zustelldienstes bedient.“ Auf den vorgetragenen Sachverhalt ging die Stadt auf Nachfrage nicht ein. Sprecher Stephan Renner teilte mit: „Der Fall wurde dem Amtsgericht zur Klärung übergeben. Zu laufenden Verfahren äußern wir uns nicht.“

Doch hat die Stadt Erkenntnisse zur Zuverlässigkeit der privaten Postdienstleister und wie geht sie mit solchen Bürgerbeschwerden um? Der Stadtsprecher: „Durch eine gemeinsame Ausschreibung von Postdienstleistungen mit den Kommunen im Rhein-Kreis Neuss ist die Firma unter Vertrag genommen worden. Zur Zeit wird die Deutsche Post AG von der Stadt Grevenbroich für elektronische Postzustellungsaufträge in Anspruch genommen.“ Renner fügt hinzu: „Das Hauptamt kontrolliert regelmäßig mittels Testsendungen die vereinbarten Servicelevel. Im Ergebnis haben die letzten Tests ergeben, dass die Vereinbarungen eingehalten werden.“ Trotz der bei der Stadt schriftlich vorliegenden Beschwerde von Bühlbecker, teilt er weiter mit: „Uns sind keine Probleme bekannt.“