Radsport und Neuss: Das passt schon lange
13 der 16 deutschen Fahrer, die bei der Tour de France dabei sind, waren schon in Neuss am Start. Den Traum, das große Radsport-Event in die Quirinusstadt zu holen, gab es schon 2005.
Neuss. Wenn die Fahrer am Sonntag gegen 13.45 Uhr auf der zweiten Etappe der Tour de France durch Neuss rollen, wird mehr als einem Dutzend ein kurzer Streckenabschnitt bekannt vorkommen: die knapp 200 Meter der Kaiser-Friedrich-Straße zwischen Kanalstraße und Drususallee.
Denn dort schlägt seit 2003 das Herz der ein Jahr zuvor von Friedhelm Hamacher begründeten Tour de Neuss — und 13 der insgesamt 16 deutschen Tourprofis, die morgen beim Grand Départ in Düsseldorf an der Startlinie stehen, waren schon bei der „kleinen Tour“, die immer drei Tage nach der Zielankunft ihrer großen Schwester auf den Champs Elyséés im Kalender steht, dabei. Der Luxemburger Ben Gastauer, im vergangenen Achter, komplettiert das Feld der „Neusser Fahrer“ im Peloton.
Von denen standen drei schon ganz oben auf dem Siegertreppchen. Tony Martin, Mit-Favorit beim Tour-Prolog im Zeitfahren am Samstag, gewann 2010 in Neuss. André Greipel, der zum siebten Mal in Folge bei der Tour de France startet und seit seiner Premiere 2011 in jedem Jahr mindestens einen Etappensieg feierte, siegte 2011 auf der Kaiser-Friedrich-Straße. Der in Hürth lebende Rostocker wiederholte diesen Erfolg zwei Jahre später — und ist damit bisher der einzige Fahrer, der sich zweimal in die Siegerliste der Tour de Neuss eintragen konnte.
Dritter im Bunde ist Christian Knees: Der Bonner gewann 2012 in der Quirinusstadt und gehört seither zum „lebenden Inventar“ der Tour de Neuss. Mit seinen inzwischen 36 Jahren schaffte er noch einmal den Sprung ins Tour-Aufgebot des Teams Sky, wo er als Helfer vor allem auf den Flachetappen seinem Kapitän Christopher Froome zum vierten Tour-Sieg verhelfen soll. Auf den niedrigeren Stufen des Siegerpodestes standen in Neuss noch andere Tour-Teilnehmer: Greipels Edelhelfer Marcel Sieberg wurde 2014 Zweiter, Tour-Debütant Nikias Arndt, der ebenso wie Simon Geschke (Sechster in 2014) für das Team Sunweb fährt, gelang diese Platzierung 2015 und 2016 sogar zweimal in Folge.
Damit wäre der 25-Jährige, dem sein Teammanager Iwan Speekenbrink zutraut, „einer der besten Sprintanfahrer der Welt zu werden“, eigentlich logischer Favorit für die 16. Auflage des Neusser Radspektakels, die am Mittwoch, 26. Juli, auf dem Programm steht. „Es wäre natürlich schön, dann so viele Tourfahrer wie möglich in Neuss wiederzusehen“, sagt Stephan Hilgers. Doch das, weiß der Vorsitzende des Neusser Radfahrervereins (NRV) nur allzu genau, „ist nicht nur, aber auch eine Frage der Finanzen.“
In dieser Hinsicht sieht es, sagt Hilgers, „dank des Engagements meiner Vorstandskollegen Barthel Winands und Heinz Hegger“ zwar nicht so schlecht aus, was nicht heißt, dass wir nicht noch weitere Sponsoren und Unterstützer gebrauchen könnten“, sagt Hilgers. Aber auch wenn die Fahrer ihre — im Vergleich zu anderen Sportarten eher geringe — Gage selbst aushandeln, bedürfen sie der Erlaubnis ihres Teamchefs, um drei Tage nach dem Ende der Tour de France in Neuss zu starten. Und weil es mit Bora Hansgrohe nur noch ein deutsches Team gibt — aus dem waren der aktuelle Deutsche Straßenmeister Marcus Burghardt (Zweiter in 2014) und sein Vor-Vorgänger Emanuel Buchmann (Vierter in 2016) schon in Neuss am Start — ist die Fahrerverpflichtung nicht einfacher geworden.
Da ist es gut, dass der NRV immer auch an den Nachwuchs denkt und dem Hauptrennen stets zwei Jugendrennen vorschaltet. Die sind über die Jahre zu einer echten Talentschau geworden — und manch einer der „Kleinen“ hat inzwischen den Sprung zu den „Großen“ geschafft: Rick Zabel zum Beispiel: Der Sohn von Rad-Legende Erik Zabel wurdeim Jahr 2007 Zweiter beim Rennen der U 15. Oder Nils Politt, einst unter der Regie von Hans-Peter Nilges im Team Sportforum Kaarst-Büttgen aktiv, der 2011 hinter Nils Schomber Zweiter im Jugendrennen wurde. Beide feiern im Team Katusha/Alpecin jetzt ihre Premiere bei der Tour de France.
Für Neuss als Etappenort warb der NRV übrigens schon 2005. Zur „Vorbeifahrt“ am Sonntag hat er Sponsoren und Gönner auf die Wiese an der Kaiser-Friedrich-Straße geladen — da, wo 24 Tage später das Herz der Neusser Tour schlägt.