Rat entscheidet über Annahme von Kunstsammlung
Damit verbunden wäre die Auflage, einen Museums-Anbau für die Ausstellung zu erreichten.
Neuss. Betriebswirte wissen, dass auf Dauer nur der erntet, der zuvor auch gesät hat. Kunstkenner wissen, dass ein Bild nur im zu ihm passenden Rahmen seine volle Schönheit und Ausstrahlung entfaltet. Oder anders ausgedrückt: Alt aus dem Pilsglas schmeckt einem Biertrinker nicht. Darum lohnt es, genau hinzuschauen, was sich hinter dem schlichten Tagesordnungspunkt für die heutige Ratssitzung verbirgt, wenn es dort heißt: „Annahme einer Kunstschenkung“ . Eine Schenkung angeboten zu bekommen und sie anzunehmen, das ist das eine. Ihren ideellen und materiellen Wert zu erkennen und ihn zur Entfaltung zu bringen, ist das andere. Und genau vor der Antwort auf diese Frage stehen heute die Stadtverordneten.
Nach übereinstimmender Meinung internationaler Experten bietet sich der Stadt Neuss die Chance, eine der weltweit bedeutendsten privaten Jugendstil-Sammlungen geschenkt zu bekommen. Art-Nouveau-Experte Philippe Garner vom Auktionshauses Christie’s schätzt den finanziellen Wert „auf ungefähr 35 Millionen Euro“. Experten schätzen aber an der Sammlung, dass sie neben Qualität und Quantität vor allem eins bietet: mehr als 600 Exponate aus den Fachbereichen Kunstgewerbe, Möbel und Gemälde. Der Sammler mit Neusser Wurzeln konzentrierte sich also nicht auf nur ein einzelnes Segment.
Sollte die Stadt Neuss dieses Geschenk annehmen, so muss sie investieren, um ihren Schatz zu heben. Dazu wäre sie dann vertraglich verpflichtet. Aber vom rechtlichen Aspekt abgesehen, es würde auch keinen Sinn machen, eine so wertvolle Sammlung mit 600 Einzelstücken im Magazin zu verstecken oder in einem freizuräumenden Gebäude auszustellen. Nicht nur für Bilder, auch für eine Sammlung kommt es eben auf den Rahmen an.
Genau über diesen Punkt werden heute die Stadtverordneten beraten und entscheiden. Konkret geht es um einen neuen Anbau für das Clemens-Sels-Museum, um die Jugendstil-Sammlung auch öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Heute muss die Entscheidung fallen, ob entsprechende Planungsmittel bereit gestellt werden, um sich Klarheit zu verschaffen, mit welchem Rahmen Neuss seine mögliche Sammlungsattraktion umgibt, um den Schatz erstrahlen zu lassen.
Insofern wäre es klug, die Kosten für die Planung zu genehmigen. Externe Experten würden mit ihren vorbereitenden Arbeiten die Basis verbreitern und absichern, auf der die Stadtverordneten letztlich ihre Entscheidung treffen müssen. Dass die Schenkung — obwohl die Spitzen des Rates informiert waren — aus dem Bürgermeister-Wahlkampf herausgehalten wurde, belegt: Die Entscheider haben verstanden. Es geht um eine wichtige Sachentscheidung für Neuss und die Neusser. Der Stadt bietet sich die große Chance, ihre auf „Nischen“ konzipierte Kulturlandschaft um eine Attraktion aus dem Bereich Jugendstil zu bereichern. Das wäre ein weiteres Alleinstellungsmerkmal.