Rat lehnt Museumsschenkung ab
Die Annahme der Jugendstil-Sammlung und der damit verbundene Ausbau des Clemens-Sels-Museums ist vom Tisch.
Neuss. Die entscheidende Ratssitzung gestern hatte so viele Neusser angelockt, dass einige keinen Platz mehr auf der Galerie fanden, sondern im Jakob-Weitz-Zimmer die Debatte verfolgen mussten. Sehr viel aber bekamen sie nicht zu hören. Jedenfalls nichts, was in den vergangenen Wochen und Monaten nicht schon diskutiert worden wäre. Bürgermeister Reiner Breuer machte früh deutlich, dass der Rat es bei Reden der Fraktionsvorsitzenden belassen wollte — eine weitere Aussprache fand dann auch nicht statt. Auch auf die von der CDU vorgeschlagenen geheimen Abstimmung hatten sich alle schnell geeinigt.
Ein 87 Jahre alter Sammler, der seine familiären Wurzeln in Neuss hat, wollte seine Sammlung mit Kunst und Kunsthandwerk des Jugendstils (Schätzwert mindestens 35 Millionen Euro) der Stadt schenken, hat dafür aber die Erweiterung des Museums verlangt. Aber die ist jetzt ebenso vom Tisch wie jede Chance, aus Neuss ein Zentrum für Jugendstil-Kunst zu machen. In der geheimen Abstimmung sprach sich mit 33 Politikern eine Mehrheit dafür aus, die Schenkung abzulehnen und damit auch das Clemens-Sels-Museum nicht auszubauen. 31 sprachen sich für die Annahme aus, vier haben sich enthalten.
Helga Koenemann (CDU) brachte als erste die Uneinigkeit der eigenen Fraktion ins Spiel, betonte aber, dass es keine Probeabstimmung gegeben habe und „meiner Meinung nach eine Mehrheit für die Annahme ist“. Sie brachte dann auch den Beschlussvorschlag ein, die Schenkung anzunehmen und dann in einem zweiten Schritt die Kosten bei 17 Millionen Euro zu deckeln. Zudem betonte sie noch einmal, dass durch die Nachverhandlungen zum Schenkungsvertrag die Stadt die Möglichkeit zu einem Rücktrittsrecht habe, wenn die Planung der Anbauten zu unvorhergesehenen Problemen (auch finanzieller Art) führt.
Dieses Hintertürchen spielte für Arno Jansen von der SPD keine Rolle: Es müsse eine endgültige Entscheidung fallen und keine „mit Blick auf die Rücktrittsoption“. Bei den Sozialdemokraten, so sagte er, habe sich in einer Probe eine Mehrheit gegen das Projekt abgezeichnt. Für ihn selbst aber sei die Debatte über die Schenkung, wie sie in den vergangenen Wochen geführt worden sei, „an sich schon ein Gewinn“. Auch Michael Klinkicht von den Grünen lobte das Engagement der Befürworter bis hin zum Einsammeln von rund 5,5, Millionen Euro Förder- und Spendengelder, sprach aber ebenfalls von Uneinigkeit in der Fraktion und gab sich selbst als Kritiker des Projekts zu erkennen. Und Manfred Bodewig von der FDP-Fraktion konstatierte wohl für alle: „An den Kosten scheiden sich die Geister.“ Er vermisste zudem konkrete Finanzierungsvorschläge.
RolandSperling, Die Linke
Ganz anders dagegen Roland Sperling von den Linken. Er ließ noch einmal einen regelrechten Weckruf an die Ratsmitglieder los, überzog zwar seine Redezeit von zehn Minuten, nutzte sie aber: „Es geht also um nichts weniger als die historische Chance, eine der wichtigsten Epochen der deutschen und europäischen Kultur in einzigartiger Weise hier bei uns in Neuss zu präsentieren“, sagte er und redete seinen Kollegen ins Gewissen: „Dass die Schenkung ausgerechnet an Neuss geht, ist ein großer Glücksfall. Wir hätten allen Grund, uns zu freuen. Stattdessen herrscht mancherorts Kleinmut und Verzagtheit, die Bedenkenträger sind scheinbar in der Überzahl.“
Und als von der AfD-Fraktion gar Finanzierungsvorschläge kamen, verbunden mit dem Bekenntnis zu der Sammlung, konnte man als Zuhörer erst recht das Gefühl haben, in einer verkehrten Welt zu sitzen. UWG/BIG hatten versucht, über einen Antrag auf einen Ratsbürgerentscheid das Thema zu delegieren. Aber darauf ließ sich keiner ein: Die Bürger erwarteten, dass der Rat diese Entscheidung träfe, hieß es einhellig.