Roman von Enno Stahl: Wie ein Hamster im Laufrad

Mit „Winkler,Werber“ übt der Neusser Autor Enno Stahl bittere Gesellschaftskritik.

Neuss. Jo Winkler ist Werbetexter. Irgendwie ist er da rein gerutscht, damals in den 80ern, als sich in der Werbung noch richtig viel Geld verdienen ließ und der kleinen Agentur die dicken Etats nur so zuflogen.

Mittlerweile, in Zeiten der Krise, ist die Lage nicht mehr ganz so rosig und der Druck der Konkurrenz enorm. Die Agentur ist bereits deutlich geschrumpft und auch bei Winkler selbst ist der kreative Lack ab. Allerdings wäre er der Letzte, der das zugäbe.

Wie ein Hamster im Laufrad rennt der ausgebrannte Werbeprofi gegen den drohenden Untergang an. Mit Tabletten bekämpft er die Panikattacken, mit Spray den bedrohlichen Raucherhusten und mit Alkohol die innere Leere.

Winkler muss weiter, immer weiter. Schließlich ist er ja so ziemlich der Einzige, der überhaupt durchblickt. Alle anderen um ihn herum kapieren eh nichts, sind zu dick, zu faul oder zu alt. Alle doof, außer Winkler.

Und ausgerechnet jetzt steht auch noch der Betriebsausflug an. Rheinschifffahrt, Koblenz, Bad Neuenahr, Casinobesuch inklusive. Grauenhaft, spießig und überhaupt voll daneben, findet Winkler und begibt sich, ausgerüstet mit jeder Menge Tranquilizern und Asthmaspray, auf diese Reise. Sie wird zu seinem ganz persönlichen Horrortrip.

Der Neusser Autor Enno Stahl lässt seinen Protagonisten auf über 300 Seiten einen inneren Monolog führen. Je nachdem wie es um Winklers Seelenzustand bestellt ist, beschleunigt oder verlangsamt er den Erzählstil. Der Leser bekommt so ein gestochen scharfes Bild davon, wie Winkler tickt, wie er assoziiert und welche Ängste ihm im Nacken sitzen.

Gleichzeitig zeigt er auf, wie Leute wie Winkler die ungeheure Konsum- und Kreditblase mit aufgepustet haben, die ihnen nun um die Ohren fliegt. Die Hybris Winklers kann durchaus äquivalent zur Selbstüberschätzung der Neoliberalisten gesehen werden. Wenn der letzte Akt von Winklers Drama ausgerechnet im Spielcasino eingeläutet wird, so drängt sich der Vergleich mit zockenden Spekulanten geradezu auf.

„Winkler, Werber“ ist streckenweise schwer auszuhalten, so sehr schütteln möchte man diese aufgeblasene und emotional doch so verarmte Person Winkler. Hier schaut man einem Egoisten dabei zu, wie er mit einer Truppe von Ellbogenkämpfern in einem Boot sitzt.

Dass das nicht gut gehen kann, ahnt man gleich und doch erleidet man das ganze Drama gespannt bis zum Ende mit. Immer in der Hoffnung, dass Werber Winkler doch noch aufwacht und endlich aufhört, sich die eigenen Lügen zu glauben.