Lernen in Neuss Neuss will Digitalisierung an Schulen vorantreiben

Neuss. · Digitale Inhalte zur Wissensvermittlung werden wohl nach der Pandemie eine größere Rolle spielen als vorher.

Lehrer Raoul Zühlke vom Gymnasium Norf befindet sich in einer Videokonferenz mit seinen Schülern.

Foto: Andreas Woitschützke

Bis Ende des Jahres sollen deutlich mehr digitale Endgeräte für Schüler in Neuss bereitstehen. Schuldezernentin Christiane Zangs betont, dass die Umsetzung bereits vor Beginn der Corona-Pandemie angegangen wurde. „Wir haben schon jetzt im Vergleich zu anderen Kommunen viele sogenannte iPad-Klassen. Bis Ende des Jahres streben wir ein Verhältnis von einem digitalen Endgerät – das können iPads oder auch Computer sein – pro fünf Schüler an. Das ist noch einmal deutlich mehr, als wir jetzt haben“, sagt Zangs. Der Bedarf sei schließlich da. Was in Zeiten der Corona-Pandemie schon deutlich wird: Digitale Inhalte zur Wissensvermittlung an Schüler erleben eine Art Quantensprung – und werden wohl auch nach Aufhebung der Kontaktsperre eine deutlich größere Rolle als vorher spielen. Darauf stellen sich Lehrer und Schulen ein.

Lehrer erklärt die
Lerninhalte auf Youtube

Der Stadtverordnete Michael Ziege (SPD) zum Beispiel zeigt auf Youtube, wie es gehen kann. Hauptberuflich ist er Mathelehrer – und muss in Zeiten der Corona-Pandemie neue Wege finden, um Unterrichtsinhalte zu vermitteln. Sieben Videos hat der 33 Jahre alte Neusser, der am Schlossgymnasium in Benrath unterrichtet, inzwischen auf Youtube hochgeladen, darin erklärt er Lerninhalte. „Zu den Erklärvideos kommt dann noch einmal wöchentlich ein Livestream, bei dem Schüler Fragen stellen können“, sagt er. Das Ziel: Ziege will seine Schüler, die sich in der Oberstufen-Einführungsphase (EF) befinden, fit für die beiden noch ausstehenden Klausuren machen, die sie eigentlich noch bis Ende des Schuljahres schreiben müssen. Eine Unwägbarkeit bleibt dabei aber. Ob, wann und wie diese Klausuren geschrieben werden können, ist noch eine Gleichung mit vielen Variablen.

Beispiel Gymnasium Norf. Schulleiter Stefan Kremer betont, dass die Umstellung gelungen ist. „Das Distance Learning oder Home-Schooling, wie man das ja neudeutsch nennt, läuft bei uns recht gut“, sagt er. Der Austausch zwischen Lehrern, Schülern und Eltern erfolgt über einen Messenger-Dienst – das gesamte Kollegium nutzt ihn, um Dateien, Videos und Aufgaben bereitzustellen und Feedback in Chatform zu geben – und Videokonferenzen. „Sie werden von etwa 30 bis 35 Prozent des Kollegiums genutzt, um ihren Unterricht aus dem heimischen Arbeitszimmer mit ihren Lerngruppen direkt zu teilen“, erklärt Kremer. Das schließe die gemeinsame Bearbeitung von Materialien und direkte Unterrichtsgespräche ein. „Das Messenger-System, das wir aus eigenem Schuletat bezahlen, hilft uns ungemein, mit Eltern, Schülern und Lehrkräften in Kontakt zu bleiben.“

Einer der Schüler, die die Angebote am Gymnasium Norf nutzen, ist Hendrik Besser. Der 17-Jährige aus der Stufe Q 1 betont, dass der Mix aus Lehrangeboten gut funktioniere. „In den Leistungskursen gibt es als Unterricht zu den gewohnten Zeiten virtuelle Doppelstunden“, sagt er. Das Lernen im Online-Klassenraum klappe gut. In anderen Fächern gebe es stattdessen Wochenarbeitspläne und den Kontakt via Messenger. „Das alles hat sich schnell eingespielt“, sagt Besser, der Erdkunde und Chemie als Leistungskurse hat.

Schule arbeitet mit dem
TSV Norf zusammen

Grundsätzlich, so betont Stefan Kremer, funktioniere das „Home Schooling“ in allen Fächern. Aber naturgemäß gibt es Herausforderungen. Beim Sportunterricht zum Beispiel setzt die Schule auf die Zusammenarbeit mit ihrem Kooperationspartner TSV Norf. Ein Trainings-Video dazu zeigt das Gymnasium Norf im Internet. Erstellt wurden die Videos von TSV-Trainerin Tina Funke und Sportlehrer Karl Siermann. Aber das kann natürlich langfristig nicht den gemeinsamen Sportunterricht in der Schule ersetzen. Stefan Kremer ist aber überzeugt, dass der Unterricht auch nach der Corona-Krise deutlich digitaler gestaltet wird als vorher. „Ein Problem ist allerdings, dass die Ausstattung der Schüler von Haus aus sehr unterschiedlich ist“, sagt er. Wünschenswert sei ein „digitales Standard-Arbeitsgerät“ wie es bei den Lehrern an seiner Schule bereits der Fall ist. „Seit anderthalb Jahren arbeiten alle mit einem iPad“, erklärt Kremer. Er hält den Ansatz der Stadt Düsseldorf, die massiv in die digitale Ausrüstung der Schulen – unter anderem in Form von flächendeckender iPad-Ausstattung – investiert, auch in Neuss für diskutierenswert. Dass nachgebessert werden muss, betont auch Thomas Kaumanns. Der schulpolitische Sprecher der CDU verweist darauf, dass dafür auch Geld aus dem sogenannten Digitalpakt Schule, mit dem Bund und Land für eine bessere Ausstattung der Schulen sorgen wollen, verwendet werden könne. Christiane Zangs warnt aber davor, dass einzelne Städte vorpreschen. „Wir streben auch über den Städtetag eine landesweite Regelung an.“ Schließlich gehe es auch um Chancengleichheit.