Seine Heimat Aleppo ist zerstört

Ahmad Karim Dalati lebt seit anderthalb Jahren in Deutschland. Freunde und Familie musste er zurück lassen.

Foto: Anja Tinter

Kaarst Im Sommer 2015 ist Ahmad Karim Dalati aus Aleppo nach Deutschland gekommen. Heute lebt der gebürtige Syrer in einer kleinen Wohnung in Kaarst und hat einen Teilzeit-Job bei Ikea. „Das gefällt mir sehr gut. Es ist eine lockere Atmosphäre und ein nettes Team“, sagt er. In seiner Heimat hat er Jura studiert. „Ich hätte noch ein Jahr gebraucht, dann wäre ich fertig gewesen. Aber hier wird mein Studium nicht anerkannt — und ich bin auch nicht sicher, ob ich wirklich Jurist werden möchte oder lieber etwas ganz anderes mache“, sagt er.

Jeden Sonntag betreut er derzeit beim Evangelischen Verein für Jugend- und Familienhilfe Jugendliche, die allein nach Deutschland geflüchtet sind. „Wir machen Spiele, unterhalten uns oder üben die deutsche Sprache. Für sie ist es wichtig, Beschäftigung zu haben — das hilft ihnen, das Grauen in der Heimat ein wenig zu vergessen“, sagt der 22-Jährige. Wie groß das Grauen dort immer noch ist, weiß Karim Dalati aus den Schilderungen von Freunden und Familie.

„Mein Oma, Onkel und zwei Tanten leben noch in Aleppo. So oft wir können, reden wir miteinander. Aber häufig klappt es nicht“, sagt er. Zwar laufe das Internet besser seit die Regierung die Stadt kontrolliere, doch sei der der Strom in Aleppo immer noch knapp. Ein Stromnetz gebe es schon seit Jahren nicht mehr. „Die Versorgung läuft über Generatoren. Aber inzwischen funktionieren auch die nicht mehr alle. Dazu kommt, dass der Strom sehr teuer ist und das Netz instabil. Waschmaschine und Herd gleichzeitig anzuschalten, ist unmöglich. Dann bricht sofort alles zusammen“, berichtet er.

Ahmad Karim Dalati, Flüchtling

Das Meiste erfahre er über seinen besten Freund. „Er ist häufig bei seiner Familie in Idlib, einem von den Rebellen kontrollierten Ort nahe der türkischen Grenze. Sie bekommen das Internet aus der Türkei. Deshalb läuft die Kommunikation dort besser“, so Karim Dalati. Von seinem Freund habe er auch erfahren, dass das Haus seiner Familie von einer Rakete zerstört wurde. „Sie selbst haben mir davon nichts erzählt. Sie wollen vermutlich nicht, dass ich mich sorge“, sagt er. Inzwischen gäbe es in Aleppo kaum noch ein Haus, das nicht zerstört ist. „Die Menschen leben in den Ruinen oder auf der Straße — es bleibt ihnen nichts anderes übrig“, stellt Karim Dalati fest.

Auch die Lebensmittel seien immer wieder knapp. „Im Augenblick geht es besser. Aber man weiß nie, wann die Straßen in die Stadt blockiert werden. Dann kann nichts mehr hinein transportiert werden. Das haben die Menschen dort schon oft erlebt“, weiß der junge Mann. Auch seien die Lebenshaltungskosten enorm hoch. „Als ich vor rund zwei Jahren geflohen bin, kostetet ein Dollar noch 42 Syrische Lira — inzwischen sind es 650“, sagt er. Auf neue Kleidung oder würden die Menschen deshalb komplett verzichten. Das Geld reiche gerade für das Nötigste.

Auch die Wasserversorgung in der Stadt sei immer mal wieder unterbrochen. „Und ob das Wasser sauber ist, wenn welches da ist, weiß auch niemand — wer nicht verdursten will, trinkt es natürlich trotzdem.“ Die Menschen in seiner Heimatstadt würden sich nichts sehnlicher wünschen, als Frieden. „Es ist ihnen völlig egal, wer sie kontrolliert — hauptsache sie können endlich in Ruhe leben.“