Sels-Museum hat sich neu erfunden
Am Sonntag feiert das Clemens-Sels-Museum nach eineinhalb Jahren Umbauzeit Wiedereröffnung.
Neuss. Wo anfangen bei einem Museum, das sich komplett neu erfunden hat? Vom Kellergeschoss bis zur zweiten Etage hinauf ist nichts mehr, wie es war im Clemens-Sels-Museum, als es vor eineinhalb Jahren wegen der Generalsanierung von Heizung, Elektrik und ähnlichem schließen musste.
Das Foyer wurde schon immer als Ausstellungsraum genutzt, aber jetzt ist es auch einer. Obwohl es durch den Abbau der Regalwand und die Versetzung der Besuchertheke ein völlig offener Raum geworden ist, fällt sofort die Kunst ins Auge. Die rote „Pfütze“ am Fuß des rechten Betonpfeilers, das kühl-klare abstrakte Bild geradeaus neben dem wilden daneben, das fast plastisch wirkt. Und was schwebt da an Stahlseilen im Treppenturm? Ein durchsichtiges, abstraktes Gebilde.
Mit den Werken von Rainer Splitt, Friedhelm Falk, Ab van Hanegam und Paul Schwer ist der Besucher schon mittendrin in der Wechselausstellung, mit der das Museum in die neue Zeit geht: „re:set — abstract painting in a digital word“ unterstreicht den Anspruch des Hauses unter Museumschefin Uta Husmeier-Schirlitz, neben der Stadtgeschichte, der Archäologie und den eigenen Sammlungen auch ganz zeitgenössische Kunst zu zeigen.
Nach Celle, Recklinghausen und Heidenheim ist Neuss die letzte Station der Ausstellung, die von den beiden Künstlern Claudia Desgranges und Friedhelm Falk in Zusammenarbeit mit Bettina Zeman vom Sels-Museum kuratiert wurde. Zwölf Positionen wurden ausgesucht, die allesamt von einer Auseinandersetzung mit der digitalen Technik zeugen. Maler wie Volker Wewers oder Michael Jäger haben den Computer gegen das Skizzenbuch getauscht, andere wie Jus Juchtmanns ziehen sich ganz auf eine stille, computerunbeeinflusste Malerei zurück.
Neben diesen Neuheiten präsentiert das Museum auch Altbekanntes: Schätze der eigenen Sammlungen, die es im neuen Umfeld (bis hin zur neuen Wandfarbe) allerdings auch ganz neu zu entdecken gilt. So hängen in der neuen Dauerausstellung erstmalig alle vier Moreaus — bislang konnten aus konservatorischen Gründen zwei Aquarelle von Gustave Moreau nur selten gezeigt werden — ebenso wie „Kandern IV“ von August Macke. Dank Klimakiste ist das jetzt möglich.
Besonders glücklich ist Husmeier-Schirlitz darüber, dass das Alleinstellungsmerkmal des Neusser Museums mit den vier Arbeiten des Franzosen Moreau im Bestand noch angereichert werden kann: um die Arbeit eines seiner Schüler. „Maître X“ (1949—56) von Georges Rouault kann das Museum auch mit Hilfe der Kunststiftung NRW aus dem Besitz der Künstlerfamilie kaufen.
Mit der Umwidmung der ehemaligen Bibliothek in einen Ausstellungsraum ist ein Traum der Museumschefin in Erfüllung gegangen. Endlich bekommen die Naiven ihre eigenen vier Wände.
Einen Quantensprung in der Präsentation hat auch die kulturgeschichtliche Abteilung im Untergeschoss gemacht. Ob Fundstücke wie Amphoren und Scherben, ob Rüstungen oder Schmuckstücke — alles zeigt sich im besten Licht. Und mehr Platz gibt es auch: am Fuß des Treppenturms mit einem so noch nie möglichen, fantastischen Blick nach oben.