Seltener Adler macht Notlandung in Neukirchen
„Milo“ ist ein Weißkopfseeadler und gehört einem Falkner aus Orken. Das Tier hatte mit starkem Rückenwind zu kämpfen.
Neukirchen. Es kommt nicht selten vor, dass die Grevenbroicher Feuerwehr auch Tiere rettet. Eine Rarität dürfte jedoch dieser Einsatz gewesen sein: Ehrenamtler des Löschzuges Grevenbroich spürten jetzt einen prächtigen Weißkopfseeadler in der Nähe von Neukirchen auf. Das Wappentier der USA hockte auf einem Feld nahe der Ramrather Straße bei Neukirchen. Wie der nur in Nordamerika vorkommende Greifvogel dorthin kam, war zunächst einmal unklar. Etwa vor Donald Trump aus den Vereinigten Staaten geflüchtet?
Keineswegs. Der noch relativ junge Vogel heißt „Milo“, wird im Sommer vier Jahre alt und gehört dem Orkener Falkner Benedikt Nyssen (24). Bei Flugübungen in Hülchrath hatte der nur dreieinhalb Kilogramm schwere Adler plötzlich zu viel Wind in den Rücken bekommen und war abgedriftet — und zwar so weit und so tief, dass er sein „Herrchen“ nicht mehr sehen konnte. „Bei dieser für ihn ungünstigen Witterung hat er dann die nächstbeste Gelegenheit gesucht, um sich niederzulassen und den Wind abzuwarten“, berichtet Nyssen.
Aufmerksam auf das Tier wurde eine Spaziergängerin mit blonden Haaren, die mit ihrem Hund auf einem Feldweg unterwegs war. „,Milo’ muss sich gedacht haben: Die kenn’ ich. Denn er ist der Frau hinterher geflogen“, schildert der Orkener. Warum der Greifvogel das tat: Benedikt Nyssens Lebensgefährtin, auch eine Falknerin, ist ebenfalls blond und hat einen Hund — der Adler muss sie verwechselt haben. Die Spaziergängerin informierte die Feuerwehr über ihren plötzlichen Begleiter. Kurz darauf rief auch Benedikt Nyssen auf der Wache an an der Lilienthalstraße an: „Falls ein Weißkopfseeadler gefunden wird — das ist meiner.“ Wenig später sahen sich Adler und Falkner wieder.
Seinen vier Jahre alten Vogel, der aus einer Zucht in Deutschland stammt, hat der 24-Jährige Orkener mit der Hand aufgezogen. „So ist eine sehr enge Bindung an mich und an Menschen überhaupt entstanden“, sagt Nyssen: „.Milo’ hat überhaupt kein Problem damit, vor großem Publikum zu fliegen.“ Weil das so ist, besucht der Falkner häufig Kindergärten und Schulen, um jungen Leuten am lebenden Tier die Welt der Greifvögel näherzubringen. Das macht er auch in Zusammenarbeit mit der Kreisjägerschaft Neuss. Und manchmal agiert „Milo“ als eine Art schwebender Glücksbote — nämlich dann, wenn er vor dem Standesamt oder der Kirche einfliegt, um Paaren unmittelbar vor der Trauung die Ringe zu überbringen.
Optisch unterscheidet sich „Milo“ noch etwas von dem bekannten US-Wappentier. „In sehr jungen Jahren sind Weißkopfadler noch kohlrabenschwarz. Jetzt, mit etwa vier Jahren, wird das Gefieder allmählich heller, Augen und Schnabel sind zudem gelb geworden“, sagt Benedikt Nyssen. Im Alter von sieben bis acht Jahren, wenn die Geschlechtsreife eintritt, wird „Milo“ seinen charakteristischen schneeweißen Kopf bekommen.
Benedikt Nyssen hat vor einigen Jahren im Bundesfreiwilligendienst am Schneckenhaus gearbeitet — und Freude am Umgang mit Greifvögeln bekommen. Der Falkner Pierre Schmidt aus Erftstadt — häufiger Gast bei den Sommerfesten des Grevenbroicher Umweltzentrums — hatte den Orkener als Falkner eingestellt. Später wechselte der nun 24-Jährige in eine große Greifvogelstation in Hellenthal in der Eifel. „Weil Falknerei aber kein Lehrberuf ist, habe ich mittlerweile eine andere Ausbildung begonnen“, schildert Nyssen. Er erlernt in Köln den Beruf des Zootierpflegers — was ihm eine Menge Spaß bereitet, wenngleich er in der Domstadt nicht nur mit Greifvögeln, sondern auch allen möglichen anderen Tieren zu tun hat.
Die Falknerei betreibt er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin als Hobby. Neben „Milo“ hält Benedikt Nyssen vier weitere Greifvögel und eine Eule, die er vor allem Kindern und Jugendlichen gerne zeigt. Dass der Weißkopfadler nach dem unfreiwilligen Ausflug in seine Voliere am zurückgekehrt wäre, das steht für Nyssen fest: „Er hätte nur den Wind abgewartet.“