St. Augustinus Behindertenhilfe: Rat und Antworten bei Themen, die tabu sind

Die St. Augustinus Behindertenhilfe berät ab sofort auch zu Fragen über Sex und Partnerschaft.

Neuss. Wenn Maria (Name geändert) in die Beratungsstelle der St. Augustinus Behindertenhilfe in der Bleichgasse kommt, dann hat sie meistens viel zu erzählen. Und nicht selten regt sie sich auf. Sie fühlt sich missverstanden, weil sie ihren Freund nicht treffen darf, oder abends nicht so lange weg bleiben darf, wie andere in ihrem Alter. Die 33-Jährige hat eine geistige Behinderung.

Ihre Probleme bespricht sie mit Pädagogin Gabriele Canjé. Auch sehr intime Dinge spricht die Pädagogin an. Sex, Verhütung, Schwangerschaft, eine Familie gründen. Dinge, die vor allem für Menschen mit geistiger Behinderung noch oft Tabuthemen sind. Damit das nicht so bleibt, hat die Behindertenhilfe ihr Beratungsangebot um einen Zweig, nämlich die Paar-, Familien- und Sexualberatung, erweitert.

„Wir haben einfach gemerkt, dass der Bedarf bei den behinderten Menschen und ihren Familien und Freunden, über solche Themen zu sprechen, stark gewachsen ist“, sagt Gabriele Canjé, die mit Sexualpädagoge Fabian Rohde die Klienten berät.

„Die Betroffenen sind heute nicht mehr ruhig und lassen sich alles gefallen. Sie fordern genauso Antworten, wie wir auch.“ Oft sei es allerdings so, dass die Eltern von behinderten Kindern aus einem hohen Beschützerinstinkt heraus, die Themen Sex und Partnerschaft tabuisieren.

„Das ist nicht kritikwürdig“, sagt Wilfried Gaul-Canjé, Geschäftsführer der Behindertenhilfe. Immerhin seien Frauen mit geistiger Behinderung vier mal häufiger Opfer von sexuellem Missbrauch. Das Totschweigen solcher Themen kann aber auch zum Problem werden.

Lukas (Name geändert) chattet im Internet mit verschiedenen Menschen. Die Angst, ausgenutzt zu werden, sobald er Vertrauen fasst, ist groß. Andererseits will er Menschen außerhalb seiner Wohngruppe kennenlernen. In der Behindertenhilfe kann der junge Mann diese Probleme mit Fabian Rohde besprechen. „Oft schicken die Betreuer der Wohneinrichtungen oder der Werkstätten die Klienten zu uns und sind froh, dass es jetzt für solche Themen geschulte Ansprechpartner gibt“, sagt Gaul-Canjé.

“ Kontakt: Sprechzeiten sind dienstags und donnerstags, 16.30 bis 18.30 Uhr, in der Beratungsstelle, Bleichgasse 4.