Stadtrat tagt immer seltener
Die Gremien der Stadt haben 2014 so wenig getagt wie noch nie seit dem Jahr 2000. Die Opposition vermutet dahinter politisches Kalkül.
Neuss. Die Absage ist knapp. „Sitzung des Hauptausschusses entfällt“, teilte die Stadt mit. Die Mitglieder des wichtigsten Ausschusses in der Stadt können sich am 22. Januar einen schönen Abend machen. Der Grund: Es gibt nichts zu entscheiden. Mit der Absage des ersten Sitzungstermins in diesem Jahr setzt sich ein jahrelanger Trend fort: Stadtrat und Ausschüsse in Neuss tagen immer seltener.
72 Sitzungen zählte die Stadt 2014. So wenige waren es noch nie in diesem Jahrtausend. In den Jahren 2007 und 2008 waren es noch deutlich über 90 Zusammenkünfte gewesen. Und im Vorjahr 2013 waren es immerhin noch 80 Termine, zu denen die Stadtverordneten und die Ausschussmitglieder zusammentrafen. Im Kern gibt es den Trend, wonach weniger getagt wird, schon seit sieben Jahren. Der Durchschnitt der vergangenen 14 Jahre liegt bei 83 Sitzungen.
Die Verwaltung hatte auf Anfrage des Stadtverordneten Roland Sperling (Die Linke) ausgerechnet, dass für einen Sitzung des Rates Kosten in Höhe von rund 6000 Euro anfallen. Darin ist das Sitzungsgeld für jedes der 68 Mitglieder enthalten (16,50 Euro), außerdem schlagen Verpflegung, Anfahrtskosten, Druckkosten, Verdienstausfall, Kinderbetreuungskosten bis hin zu Kosten für Technik und Schriftführer zu Buche. Die vorhergehenden Fraktionssitzungen kosten dazu auch noch einmal 1200 Euro. Für eine Ausschusssitzung kommen nach Schätzungen von Gottfried Dorschner, Leiter des Amtes für Rats- und Bezirksangelegenheiten, 3000 Euro zusammen. Er führt die geringe Zahl an Sitzungen 2014 vor allem auf die Kommunalwahl zurück. Zwar gab es in den Wahljahren 2004 und 2009 ebenfalls weniger Sitzungen, dennoch waren es deutlich mehr als 2014.
Die Opposition im Rat vermutet, die schwarz-grüne Ratsmehrheit scheue immer öfter die Konfrontation in den Entscheidungsgremien. „Die Mehrheit ist so dünn, da möchte Schwarz-Grün möglichst wenig Angriffsfläche bieten“, sagt SPD-Fraktionschef Arno Jansen. „In einer Stadt mit 150 000 Einwohnern sollte es genug zu entscheiden geben.“ Dies hätten auch die beiden Ratssitzungen vom November und Dezember 2014 gezeigt.
Bürgermeister Herbert Napp (CDU) habe die November-Sitzung eigentlich mangels Entscheidungen ausfallen lassen wollen. Als die Sitzung dann doch stattfand, standen nahezu 30 Punkte auf der Tagesordnung. Für Jansen ist die Sache klar: „Es ist massiv gewollt, die Zahl der Sitzungen nach unten zu drücken.“
Die Union wehrt sich dagegen. Neben der Kommunalwahl führt sie die Koalitionsverhandlungen und den spät eingebrachten Haushalt für den Sitzungsschwund an. „Und wir haben jetzt eine Reihe an Themen, die langfristig berichtet werden und nicht ad-hoc neuer Beschlüsse bedürfen“, sagt CDU-Fraktionschefin Helga Koenemann. Die Zahl der Sitzungen werde in diesem Jahr wieder zunehmen, glaubt die Unionspolitikerin. „Wir haben den neuen Beteiligungsausschuss, der in diesem Jahr vier Mal tagen wird.“