Pendeln mit dem Fahrrad 40 Kilometer mit dem Rad zur Arbeit – jeden Tag

Kempen · Stefan Ditzen aus Kempen pendelt seit Jahren täglich rund 80 Kilometer zu seinem Arbeitsplatz nach Neuss und zurück – mit einem speziellen E-Bike.

Seitdem Stefan Ditzen sich ein sogenanntes S-Pedelec zugelegt hat, lässt er das Auto stehen und radelt jeden Morgen von Kempen nach Neuss – und abends wieder zurück.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Stefan Ditzen ist schon immer gerne Fahrrad gefahren. „Ich habe auch schon immer davon geträumt, mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren“, sagt er. Doch von seiner Arbeitsstelle in Neuss trennen den Kempener rund 40 Kilometer. Eine Strecke, die man eigentlich mit dem Auto zurücklegt, oder? Doch Stefan Ditzen spukte die Idee so lange im Kopf herum, bis er 2014 den Schritt wagte, sich ein Rad mit Elektromotor (S-Pedelec) zu kaufen und das Auto stehen zu lassen. Seitdem führt ihn sein Arbeitsweg nicht mehr über volle Autobahnen, stattdessen über Wirtschaftswege durchs Grüne.

Seit 1995 pendelt der gebürtige Düsseldorfer jeden Tag hin und zurück. Etwa 80 Kilometer von Kempen nach Neuss und wieder zurück. Den Berufsverkehr auf den Autobahnen empfand er als unerträglich. Und tatsächlich brauche er mit dem Fahrrad genauso lang für den Weg, wie mit dem Auto zu den Stoßzeiten. 70 Minuten lang radelt er durch die Natur, vorbei an den Ortschaften Unterweiden, St. Tönis, Willich, Meerbusch und Kaarst.

Bei Sonnenaufgang sei die Fahrt am schönsten

Nur selten treffe er dabei auf eine Straße mit motorisiertem Verkehr, sagt Ditzen. Meistens sind da nur er, sein Fahrrad und die Natur. Ab und an begegnet er anderen Rad-Pendlern: „Die meisten fahren nach Krefeld oder nach Korschenbroich.“ Hin und wieder kommt ein Spaziergänger mit Hund vorbei, dann ist er wieder allein. Seit er mit dem Fahrrad pendelt, nehme er die Jahreszeiten viel bewusster war. Der Geruch ist anders und auch das Licht. Das sei im Frühling am schönsten, sagt Ditzen: „Besonders gerne fahre ich im Sonnenaufgang.“ Im Mai und Juni werden auf den Feldern um Willich Erdbeeren gepflückt. „Das ist ein toller Duft“, schwärmt der 57-Jährige.

Doch Stefan Ditzen ist kein Schön-Wetter-Radler. Er fährt, auch wenn es gewittert, er passt dann nur seine Route an. Nur Nieselregen sei „wirklich fies“. Er fahre aber nicht nur, um dem Berufsverkehr zu entgehen und um an der frischen Luft zu sein, sondern auch, weil er das Klima schützen möchte. „Bei Entfernungen bis zu fünf Kilometern kann man eigentlich immer gut auf das Auto verzichten“, sagt Ditzen.

Stefan Ditzens Frau ist Vorsitzende der Bürgerinitiative „Fahrradstadt“

Oft habe er den Eindruck, dass viele gar nicht wüssten, „dass da hinten Gift rauskommt“. Für das Fahrrad als Fortbewegungsmittel macht er auch in Kempen aktiv Werbung. So ist er Mitglied der Bürgerinitiative „Fahrradstadt Kempen“, seine Frau ist sogar Vorsitzende. Gemeinsam wollen sie ihren Wohnort fahrradfreundlich gestalten. Denn auch in Kempen legt Ditzen die meisten Strecken mit seinem Rad zurück, obwohl die Familie noch ein Auto besitzt. Den Wocheneinkauf transportiert er im Fahrradanhänger, in den bis zu fünf Getränkekisten passen. In Kempen könne man viele Strecken mit dem Fahrrad zurücklegen, der Anteil der Radfahrer am Verkehr sei mit 37 Prozent schon recht hoch. „Das könne aber noch deutlich mehr sein“, ergänzt Ditzen. „So wie überall in NRW.“

Dass das Fahrrad zur echten Alternative wird, für Menschen, die etwa so viele Kilometer zurücklegen müssen wie er, glaubt Stefan Ditzen aber nicht: „Bei der Entfernung, die ich zurücklege, muss man schon einen gewissen Enthusiasmus mitbringen.“ Abgenommen habe er durch die täglichen Aktivitäten übrigens nicht, wie er verrät. Vielleicht, weil er sich schon immer viel bewegt habe. Dafür hat sich in ihm etwas verändert: „Ich bin gelassener geworden“, sagt Ditzen. Als er die Strecke noch mit dem Auto fuhr, habe er ständig auf die Uhr geschaut: pünktlich da trotz Stau? Jetzt steigt er auf sein S-Pedelec und fährt los. Ohne nur darauf zu warten, endlich anzukommen.

Stefan Ditzen engagiert sich in Kempen für eine noch fahrradfreundlichere Stadt. Gemeinsam mit seiner Familie ist er in der Bürgerinitiative „Fahrradstadt Kempen“ aktiv, dessen Sprecherin seine Ehefrau Gisela Ditzen ist. Die Initiative setzt sich für einen Vorrang des Radverkehrs in der Thomasstadt ein.

Beim neuen Radverkehrskonzept für Kempen haben Gisela und Stefan Ditzen in den öffentlichen Workshops ihre Erfahrungen und Ideen vom umweltfreundlichen Radverkehr eingebracht. Für den geplanten neuen Stadtteil im Kempener Westen hätte die Initiative am liebsten eine fast vollständig autofreie Zone. Gemeinsam mit anderen unterstützt Familie Ditzen auch bei der „Fridays for Future“-Bewegung. Bei gemeinsamen Radtouren der eigenen Initiative werden regelmäßig Gefahrenpunkte für Radfahrer und Schwachstellen im Radverkehrsnetz der Stadt angesteuert und öffentlich benannt. Auch bei anderen Umweltprojekten wie dem Schutz der Linden an der Hülser Straße, die teilweise für die Erschließung eine neuen Gewerbegebietes gefällt werden sollen, ist man aktiv. Steinhaus/rei